Montagsinterview Fußballer Zhan Xu: "Fußball gab es schon in der Tang-Dynastie"

Der Chinese Zhan Xu lebt und trainiert seit zwei Jahren im Fußballinternat von Hertha BSC Berlin. Sein Ziel ist die erste Bundesliga und die Teilnahme an einer Fußball-WM irgendwann in China.

Xu spielt in der Regionalliga - noch. Bild: Amelie Losier

taz: Herr Zhan, Sie fühlen sich in Berlin sicherlich wesentlich wohler als in Peking.

Zhan Xu steht seit Juli 2006 bei Hertha BSC unter Vertrag. Geboren und aufgewachsen ist er in Peking. Auch wenn er von klein auf in der Schule Fußball gespielt hat - im Verein spielt er erst, seitdem er in Berlin lebt. Er lebt und trainiert im Fußball-Internat von Hertha und macht nebenher eine Ausbildung als Reisekaufmann.

Leider verfolgt Zhan Xu das Verletzungspech: Wegen einer Knieverletzung konnte er seinen Platz in der chinesischen Olympiaauswahl nicht einnehmen.

Hertha BSC ist auf dem von vielen europäischen Großklubs heiß umkämpften chinesischen Markt sehr aktiv. Die Rechnung: Schafft es nur ein chinesischer Spieler in das Bundesligateam, wird Hertha mit einem Schlag zusätzliche 50 Millionen Fernsehzuschauer haben. Schon jetzt waren zahlreiche chinesische Medien da, um zu filmen, wie der einzige chinesische Jugendspieler in Deutschland lebt und trainiert. Das nächste Großprojekt von Hertha: die Hertha BSC Berlin Football Academy Beijing. Dahinter verbirgt sich ein Fußballinternat für rund 80 Nachwuchsspieler. Hertha stellt Ausrüstung, Trikots, Bälle und einen Jugendaustausch zur Verfügung. Die chinesischen Nachwuchsspieler werden im Gegenzug in blau-weißen Hertha-Trikots über das Spielfeld laufen.

Zhan Xu: Wenn es mir hier nicht gefallen würde, wäre ich längst wieder weg. Ich bin ja auch schon zwei Jahre hier. Nein, ich finde Berlin keine schlechte Stadt. Auf Dauer gefällt mir Peking aber schon besser.

Aber mit Ihrer Körpergröße von 1,94 Meter fallen Sie in Berlin doch wesentlich weniger auf als in Peking. Dort sind die Menschen im Schnitt 20 Zentimeter kleiner als Sie.

Das stimmt. Deutsche sind im Schnitt größer als Chinesen. Aber in Peking gibt es auch viele große Menschen, gerade unter Sportlern. Ich bin Nordchinese. Die sind in der Regel sowieso größer als Südchinesen - wobei meine Mutter mit 1,70 Meter und mein Vater mit 1,80 Meter gar nicht so groß sind. Ich glaube, ich wurde einfach gut ernährt. Bei uns gab es viel Rindfleisch und Krabben.

Wurden Sie in China wegen Ihrer Größe gehänselt?

Im Gegenteil: Ich habe eher andere geärgert. Nein, ich bin in einem guten Umfeld aufgewachsen.

Gibt es etwas, das Ihnen an Berlin besonders gut gefällt?

Es ist eine sehr grüne Stadt, direkt hier neben dem Hertha-Internat und dem Olympia-Stadion gibt es gleich einen großen Wald. Vor allem aber ist hier die Luft sehr viel besser als in Peking.

Sie laufen fast täglich am Berliner Olympia-Stadion vorbei. Was denken Sie, wenn Sie die große Statue mit den fünf olympischen Ringen sehen?

Ich wäre jetzt natürlich gerne in Peking. Eigentlich war ich ja auch bei den Spielen für das chinesische U23-Fußballnationalteam ausgewählt. Ich hatte aber Anfang des Jahres eine Knieverletzung erlitten. Als ich im Frühjahr beim Olympia-Trainingslager in Peking war, hielten es die Ärzte für besser, auf meine Teilnahme zu verzichten. Es ist bedauerlich, aber ich bin ja noch jung. Es wird schon ein nächstes Mal geben.

Aber nicht in Ihrer Heimatstadt Peking.

Das stimmt. Aber mir würde es reichen, überhaupt bei Olympischen Spielen teilnehmen zu können. Es muss nicht unbedingt Peking sein.

Warum sind Sie denn nicht nach Hause gefahren, um wenigstens bei den Spielen live zuzuschauen?

Das würde ich sehr gern tun. Aber weil ich eben die Knieverletzungen hatte, muss ich nun eine Menge Training nachholen. Die Zeit, die mir durch eine Peking-Reise verloren gehen würde, ist mir zu kostbar. Und mein Training hier hat absoluten Vorrang.

Das klingt offen gesagt ziemlich nach den typischen chinesischen Tugenden: fleißig, zäh und zielstrebig.

Ich weiß nicht, ob das typisch chinesische Tugenden sind. Ich fühle mich einfach sehr geehrt, von Hertha ausgewählt zu werden und hier trainieren und leben zu dürfen. Das ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit. Und dieses Angebot möchte ich so gut wie möglich nutzen.

Wie kommt ein chinesischer Fußballer ausgerechnet zu Hertha?

Ich wurde damals ausgewählt. Der Verein hatte 2004 eine Tour durch vier chinesische Provinzen gemacht und 10.000 Spieler an Schulen beobachten lassen. 25 wurden zur Vorauswahl eingeladen. Ich war der Einzige, den sie dann letztlich ausgewählt haben. Ich konnte mein Glück nicht fassen. Immerhin bin ich neben einem Landsmann, der bei Energie Cottbus spielt, der einzige chinesische Fußballspieler in einem deutschen Fußballklub. Ich hatte zuvor nie in einem Verein gespielt, sondern immer nur in der Schule. Drei- bis viermal Training in der Woche hatte ich. Mehr war das nicht. Für mich ist das also ein Aufstieg.

Kannten Sie Hertha BSC vor Ihrer Auswahl denn schon?

Ich kannte Bayern München, Schalke und Bremen. Hertha war mir zwar ein Begriff, aber, nein, viel wusste über den Verein und seinen Spielern noch nicht.

Wie kommt es, dass ein junger Chinese in Peking sich überhaupt für die deutsche Bundesliga interessiert?

Als ich klein war, war ich viel mehr mit der spanischen Liga vertraut. Ich kenne viele Chinesen, die begeistert von Fußball sind. Und weil die europäischen Mannschaften die besten sind, verfolgen wir viele Spiele auch mit. Bei mir kommt das Interesse von meinem Vater. Er hat schon immer sehr gern Fußball geschaut - trotz der Zeitverschiebung. Die meisten europäischen Spiele wurden ja immer erst um 2 oder 3 Uhr morgens chinesischer Zeit im Fernsehen übertragen. Dafür wurde ich auch schon mal geweckt. Mein Vater war es auch, der schon früh den Wunsch hatte, dass ich mal Fußballer werde. Diesen Wunsch habe ich ihm erfüllt.

Woher kommt überhaupt das Interesse der Chinesen für Fußball? Fußball ist ja nun nicht gerade ein traditionell chinesischer Sport.

Das stimmt nicht. Fußball hat es in China schon in der Tang-Dynastie gegeben, und das ist schon tausend Jahre her. Warum die Chinesen sich für Fußball begeistern? Es werden wohl die gleichen Gründe sein wie bei den Europäern und Südamerikanern. Ist nicht die ganze Welt begeistert von Fußball? Fußball ist einfach spannend.

Und was wussten Sie vom deutschen Fußball, bevor Sie hierhergekommen sind?

In China hieß es immer, die Deutschen zeichnen sich vor allem durch ihren Körpereinsatz aus. Sie seien besonders verbissene Kämpfer. Dieses Bild kann ich nicht bestätigen. Ich habe festgestellt, dass der deutsche Fußball vor allem strategisch ist und sehr viel Wert auf Technik legt.

Worin unterscheidet sich das chinesische vom deutschen Spielverhalten?

Wir Chinesen sind im Fußball schnell und flexibel. Technik ist leider nicht unsere Stärke.

Und wie beurteilen Sie Ihre eigenen Leistungen im Vergleich zu denen Ihrer deutschen Mannschaftskollegen?

Auch bei mir hapert es in der Technik. Ich habe ja vorher nie in einem Verein gespielt. Das muss ich jetzt nachholen. Und trotz meiner Größe bin ich im Vergleich zu den Deutschen schmächtiger. Ich muss wohl noch mehr Fleisch essen, damit ich kräftiger werde. Wir Chinesen sind insgesamt schmächtiger.

Was könnten die deutschen Mitspieler von Ihnen lernen?

Da fällt mir nicht viel zu ein.

Sie wissen, dass Sie für Hertha auch eine lohnende Investition sind.

Wie meinen Sie das?

Wenn Sie demnächst in der ersten Bundesliga für Hertha spielen, wird der Berliner Verein mit einem Schlag Millionen von zusätzlichen Fernsehzuschauern in der Volksrepublik China gesehen.

Das wird schon so sein. Seitdem mein Landsmann Shao Jiayi für Energie Cottbus spielt, werden auch alle Cottbus-Spiele im chinesischen Staatsfernsehen gezeigt. Und in China ist er tatsächlich berühmt.

Das dürfte Ihnen demnächst auch bevorstehen.

Das mag sein. Aber wissen Sie, ob ich nun demnächst in China berühmt werde und wie viel Geld man aus mir machen wird, darüber mache ich mir momentan keine Gedanken. Mir geht es vor allem darum, bei Hertha guten Fußball zu lernen.

Wie lange haben Sie vor, bei Hertha zu bleiben?

So lange ich kann. Ich hoffe aber mindestens fünf Jahre, vielleicht auch zehn. Es ist ja auch noch ein harter Weg, bis ich in der ersten Liga mitspielen darf.

Herr Zhan, verfolgen Sie momentan eigentlich die deutsche Berichterstattung über China?

Ein wenig.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn hier vor allem über Menschenrechtsverletzungen, die unterdrückten Unruhen in Tibet und die autoritäre Staatsführung berichtet wird?

Über diese Dinge lässt sich nicht so leicht reden. Ich kann über Fußball erzählen, Politik ist nicht mein Ding.

Aber was geht Ihnen durch den Kopf, wenn in Deutschland so negativ über Ihr Land berichtet wird?

Mir ist schon aufgefallen, dass in China und Deutschland über ein und dieselben Ereignisse doch sehr unterschiedlich berichtet wird. Ich lese regelmäßig eine chinesische Webseite mit Nachrichten aus Peking. Ich weiß nicht, wer recht hat. Aber eins ist klar: Hier in Deutschland wird auch ganz schön einseitig berichtet.

Können Sie die Kritik des Westens an China nachvollziehen?

Ich teile sie nicht, aber ich finde es okay, wenn unterschiedliche Sichtweisen vertreten werden. Jeder hat sein Recht auf eine eigene Meinung. Unfair finde ich nur, wenn der Westen jetzt sagt, die Olympischen Spiele hätten nicht an Peking vergeben werden dürfen. Der Westen hat nicht allein darüber zu entscheiden, wo die Spiele stattfinden. Immerhin ist das IOC ein internationales Gremium. Das ist meine Meinung.

Wäre China Ihrer Meinung nach auch reif für die Austragung einer Fußball-WM?

Auf jeden Fall. Und da will ich auf jeden Fall dabei sein.

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