Mehr Steuereinnahmen: Kongo will Korruption dezentralisieren

Präsident Kabila erlässt Gesetz, das es den Provinzregierungen ermöglicht, Teile der Staatseinnahmen zu behalten. Nun droht Streit zwischen reichen und armen Landesteilen.

Steuer-Streit: Welche Provinz bekommt die Zolleinanhmen vom Holz-Handel? Bild: dpa

Wer im Osten der Demokratischen Republik Kongo einen Lastwagen Zinnerz auf den Weltmarkt schickt, zahlt in der Grenzstadt Goma 15 verschiedene Steuern und Gebühren, von 140 US-Dollar Produktanalysegebühr der Exportkontrollbehörde bis zu 0,59-Prozent des Exportwerts an das Seefrachtamt. Die Vielfalt und willkürliche Festsetzung der vielen Kleckerbeträge ist ein Anreiz dafür, lieber die Beamten zu schmieren. Davon haben alle etwas: Der Exporteur spart Steuern, der Steuerbeamte kriegt Geld. Denn von den regulären Staatseinnahmen landet vieles nie in den Staatskassen, die Staatsangestellten werden nicht menschenwürdig bezahlt.

Das spurlose Verschwinden von Staatseinnahmen ist der Grundmechanismus von Korruption im Kongo, und um ihn zu brechen, war bei der Demokratisierung des Landes 2006 eine radikale Dezentralisierung festgelegt worden. Statt dass jede Staatsbehörde ihre Gelder an die Zentralregierung in der Hauptstadt Kinshasa weiterleitet, wo sie dann nie wieder auftauchen, sollen 40 Prozent der "Einnahmen nationalen Charakters" in den Provinzen des Landes bleiben. Auch da können sie natürlich weiterhin von den Mächtigen aus den Staatskonten abgegriffen werden, aber es gäbe Anreize zur Kontrolle, weil jemand nachrechnen muss, wie viel Geld 40 Prozent der Einnahmen tatsächlich darstellen. Das entsprechende Dezentralisierungsgesetz, der wichtigste Schritt zur Reform des Kongo seit den Wahlen 2006, hat Präsident Joseph Kabila jetzt in Kraft gesetzt.

Laut Medienberichten unterzeichnete der Staatschef am 1. August das Gesetz, das Kongos Parlament bereits im Januar verabschiedet hatte. Das Gesetz bringt zugleich den Neuzuschnitt von Kongos Provinzen auf den Weg, deren Zahl nächstes Jahr von 11 auf 26 steigt.

Natürlich können die neuen Provinzregierungen auf kleiner Ebene die bisherige Korruption fortführen. Erst vor zwei Wochen verkündete Kongos Regierung, die Steuer- und Zollbehörden des Landes sowie die Strom- und Wasserbetriebe, die Luftfahrtbehörde und die staatliche Versicherungsfirma hätten seit den Wahlen 1,3 Milliarden Dollar unterschlagen. Zusätzlich sollen allein die Steuer- und Zollbehörden 1,8 Milliarden Dollar zu wenig Einnahmen realisiert haben - direktes Ergebnis von Arrangements zur Steuervermeidung. Das ist ziemlich viel für ein Land, dessen Staatshaushalt 2008 Ausgaben von 3,4 Milliarden Dollar vorsieht, zur Hälfte aus Entwicklungshilfe finanziert.

Am meisten Werbung für die Dezentralisierung machen jene Provinzen, die dank ihres Reichtums und ihrer Lage am meisten erwirtschaften. 2007 kamen von den aus dem Provinzen stammenden Staatseinnahmen, insgesamt 313 Milliarden kongolesische Franc (ca. 630 Millionen Dollar), 136 Milliarden aus der Hauptstadt Kinshasa, 93 Milliarden aus der Westprovinz Bas-Congo mit Kongos einzigem Ozeanhafen Matadi, und 50 Milliarden aus der wichtigsten Bergbauprovinz Katanga. An vierter Stelle lag die Ostprovinz Nord-Kivu an der Grenze zu Ruanda. Bisher sahen diese Provinzen von ihren Einnahmen fast nichts und tolerierten Schmuggel, weil dann das Geld immerhin vor Ort blieb. Jetzt freuen sie sich auf ihre 40 Prozent und werden bestrebt sein, die offiziellen Einnahmen der zuständigen Ämter möglichst hoch anzusetzen statt wie bisher möglichst niedrig.

Aber welche Gelder dürfen sie behalten? Wenn Mobiltelefonfirmen landesweit tätig sind, ihre Steuern aber komplett in der Hauptstadt zahlen - darf die Stadtverwaltung Kinshasa dann davon 40 Prozent abzwacken? Wenn tief in der Regenwaldprovinz Equateur Edelhölzer gefällt werden, die an der Atlantikküste in Matadi zum Export verladen werden - gehören die entsprechenden Zolleinnahmen dann der Herkunftsprovinz der Baumstämme oder der Provinz, in der der Hafen Matadi liegt? Und wovon leben Provinzen, die auf ihrem eigenen Territorium so gut wie gar nichts verdienen? So manche Provinz hat bereits illegale Exportsteuern erhoben, wenn Waren die Grenze in eine Nachbarprovinz überqueren, um etwas zu haben, wovon sie 40 Prozent behalten kann.

Es wird also noch viel gestritten werden, bevor Korruption und Willkür schwinden. Die Zinnexporteure von Goma kennen das schon. Seit mehreren Wochen liegt Nord-Kivus legaler Zinnexport still. Denn die Behörden haben wegen steigender Weltmarktpreise die Exportwerte für Zinnerz, aus denen sie Steuern und Zölle kalukulieren, von vier auf 14 Dollar pro Kilo angehoben. Damit steigt die Steuerlast um das Dreieinhalbfache. Ein Grund mehr für Schmuggel.

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