Kommentar Bahnklos: Mulmige Gefühle im ICE

Die Bahn wollte Toiletten schließen, um Gewicht zu sparen. Dabei geht es keineswegs ums Energiesparen, sondern um die Sicherheit.

Staunend haben wir registriert, dass Airlines ihre Passagiere vor dem Start aufs Töpfchen schicken, um Gewicht und Treibstoff zu sparen. Reeder lassen ihre Schiffe deshalb zwei Knoten langsamer fahren, und in Thailand explodieren die Wasserbüffelpreise, weil Traktordiesel zu teuer ist. Nach solch munteren Berichten schien die dpa-Meldung, dass die Bahn im ICE einige Toiletten schließen und Wassertanks leeren will, die logische Fortsetzung zu sein. Bahnchef Mehdorn speckt ab. Schon stellte man sich Fahrgäste mit zusammengekniffenen Knien vor verschlossener Türe vor.

Doch es war dann doch nicht so lustig, denn es geht gar nicht ums Energiesparen. Die Bahn hat diese Maßnahme für 17 ICE der dritten Generation allen Ernstes diskutiert, um die Achslast zu drücken. Das belegt, dass die Sicherheitsprobleme bei den betroffenen Hochgeschwindigkeitszügen doch größer sind als zugegeben.

Seit dem Unfall in Köln, als ein ICE entgleiste, wird mit Hochdruck nach Fehlerquellen gesucht; gleichzeitig muss der Bahnbetrieb möglichst geräuschlos weitergehen. Inzwischen ist klar, dass die Toilettenschließung nur eine Option war, von der man wieder abgerückt ist. Richtig beruhigend ist das aber nicht. So wenig, wie der bekannt gewordene interne Schriftverkehr mit dem Eisenbahn-Bundesamt, in dem Bedenken wegen der "Dauerfestigkeit" der Radwellen eingeräumt wurden. Am Donnerstag hat das Unternehmen noch einmal die Sicherheit des ICE-3 mit vielen guten Argumenten bekräftigt. Doch ein Satz bleibt als Störfaktor in Erinnerung: Der Kölner Unfall sei "ein Einzelfall, der noch abschließend geklärt werden muss". Auf Deutsch: Alles ziemlich rätselhaft, und die Aufklärung stockt.

Beim schnellsten deutschen Reisezug gibt es keinen Sicherheitsrabatt. Deshalb sollte man nicht die Toiletten schließen, sondern die Betriebserlaubnis für die 17 ICE entziehen, wenn es in Sachen Achsenstabilität auch nur den Hauch eines Zweifels gibt. Weil wirtschaftliches Kalkül hier mit der Sicherheit konkurriert, bleibt ein mulmiges Gefühl - trotz offener Toiletten. MANFRED KRIENER

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Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.

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