Sozialdemokraten elektrisiert: Sehnsucht nach Münte

Drei Wochen nach dem Tod von Ankepetra Müntefering diskutiert die SPD, wie der Ex-Vizekanzler die Partei retten könnte. Der Ruf nach Müntefering zeigt die Sehnsucht nach Verlässlichkeit.

Beklatscht und bewundert: Hoffnungsträger Franz Müntefering (2.v.l.). Bild: dpa

Münte kommt zurück. Diese drei Worte reichen offenbar aus, um viele Sozialdemokraten zu elektrisieren - obwohl die angebliche Neuigkeit gar keine ist. Doch von vorn. Den Anfang machte die Rheinische Post. Sie meldete am am Wochenende, der ehemalige SPD-Chef und Vizekanzler werde im September seine Arbeit als Bundestagsabgeordneter wieder in vollem Umfang aufnehmen.

Prompt bewerteten einige wichtige SPD-Bundestagsabgeordnete in Sonntagszeitungen das Comeback-Gerücht, nicht ohne die Bedeutung Münteferings für die gebeutelten Sozialdemokraten hervorzuheben. Johannes Kahrs, Vertreter des rechten Parteiflügels, sagte der B.Z.: "Er ist für die Partei eine Integrationsfigur und für viele Wähler einfach unverzichtbar." Rainer Wend, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, fügte hinzu: "Gerade in diesen für die SPD schwierigen Zeiten können wir einen erfahrenen Fahrensmann wie ihn bestens gebrauchen." Auch Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper lobte Müntefering als "wichtigen Eckpfeiler" der Partei.

Doch Müntefering hat sich nie aus der Politik verabschiedet. Als er im November 2007 seine Ämter als Vizekanzler und Arbeitsminister niederlegte, um mehr Zeit für seine krebskranke Frau Ankepetra zu haben, hatte er sein Abgeordnetenmandat behalten. Sein Rücktritt sei kein Abschied, hatte er damals gesagt.

Er hielt Wort. Immer wieder mischte sich Müntefering aus seiner Bonner Heimat in Strategiedebatten ein: Im März kritisierte er in einem internen Papier den Zickzack-Kurs von Kurt Beck bei Bündnissen mit der Linken auf Landesebene, im Mai forderte er einen formalen Beschluss gegen eine Zusammenarbeit im Bund.

Vor knapp drei Wochen ist nun seine Frau Ankepetra gestorben. Müntefering hat ihr beigestanden bis zum Schluss, er ist jemand, der Lebensaufgaben zu Ende bringt. Neben der Pflege seiner todkranken Frau hat er sein Abgeordentenmandat pflichtbewusst wahrgenommen. Entsprechend ist unwahrscheinlich, dass er dies nach Ende der Sommerpause anders halten wird. Ebenso unwahrscheinlich ist es, dass sich der 68-Jährige von seiner zweiten Lebensaufgabe, der SPD, komplett verabschiedet.

Die übereilten Rufe nach dem Lotsen belegen also nur, wie groß die Sehnsucht der Sozialdemokraten nach Führung und Verlässlichkeit ist. Ohne dass er sich selbst geäußert hätte, diskutieren SPDler, welche Rolle Müntefering in Zukunft füllen könnte. "Wenn er wieder bereit ist, sich einzubringen, muss es kein Gegeneinander geben", sagte Kahrs. "Zwischen Beck, Struck und ihm wird sich etwas finden, das uns weiterbringt." Der Innenpolitik-Experte Sebastian Edathy meinte: "Er kann einen Beitrag dazu leisten, das Stimmungstief der SPD zu überwinden." Ohne Zweifel - Müntefering ist die letzte Integrationsfigur, die die SPD noch hat. Nur hätte man ihm gewünscht, dass die Genossen ihn selbst sagen lassen, wann und wie er nach dem Tod seiner Frau mitreden will.

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