Finanzinvestor kauft Mittelstandsbank: Insekt rettet IKB

Der US-Finanzinvestor Lone Star übernimmt die Mehrheit an der IKB. Der Kaufpreis liegt deutlich unter den Erwartungen des Bundes. Lone Star ist berüchtigt für rabiate Inkassomethoden.

Ob die Vorstands-Herren mit diesem Ergebnis zufrieden sind? Bild: dpa

Der Bund wird endlich die schwer angeschlagene Deutsche Industriebank (IKB) los - und zwar an einen Finanzinvestor. Den Zuschlag erhielt die US-Firma Lone Star. Für wie viel genau, darüber wurde nach Auskunft der Verkäuferin, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Stillschweigen vereinbart. Der Kaufpreis liege irgendwo "im niedrigen dreistelligen Millionenbereich" - also weniger als die von der Bundesregierung erhofften 800 Millionen Euro und viel weniger als die Milliardenbeträge, die für die Rettung der Bank aufgewendet worden waren.

taz/dpa Im Juli 2007 räumt die IKB wegen der US-Hypothekenkrise Belastungen im einstelligen Millionenbereich ein. Schnell wird aber klar, es geht um eine Milliarde Euro. Die bundeseigene Bank KfW springt ein. IKB-Chef Stefan Ortseifen tritt zurück.

Im August schnüren KfW und die Verbände der Sparkassen, Genossenschaftsbanken und der privaten Institute ein Rettungspaket von 3,5 Milliarden Euro. Im Herbst öffnet die IKB ihre Bücher, sie kündigt wegen Restrukturierungen einen Verlust im Geschäftsjahr 2007/08 von bis zu 700 Millionen Euro an. Zwei weitere Vorstände müssen gehen. Die Bank gelobt Besserung. Doch im November drohen offenbar weitere Belastungen von 300 bis 400 Millionen Euro. Die KfW erhöht als Großaktionär ihre Risikovorsorge um 2,3 Milliarden Euro. Das ruft auch die EU-Kommission auf den Plan.

Die IKB erhält eine Finanzspritze von 350 Millionen Euro. Kurz darauf verkündet Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der 38-prozentige KfW-Anteil an der IKB solle "so zügig wie irgend möglich" verkauft werden. Anfang Dezember ist aber klar: Die IKB ist ein Ladenhüter. KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier bereut öffentlich die milliardenschwere Rettungsaktion.

Im Februar bekommt die IKB eine Milliarde vom Bund, um ihre neuen Löcher zu stopfen. Die IKB kündigt eine Kapitalerhöhung über 1,5 Milliarden Euro an, davon trägt die Hauptaktionärin KfW mindestens 1,2 Milliarden Euro. An der mittlerweile dritten Rettungsaktion beteiligen sich auch die privaten Banken. Nach Angaben der KfW haben mehrere Interessenten aus dem In- und Ausland Gebote für die IKB abgegeben.

Ende März muss die KfW der IKB zusätzlich 450 Millionen Euro zuschießen, um neue Löcher zu stopfen. An den bislang drei Paketen über insgesamt mehr als 8,5 Milliarden Euro tragen KfW und Bund den Löwenanteil. Im April tritt Matthäus-Maier zurück.

Im Juli stellt die KfW Bankengruppe der IKB eine weitere Liquiditätslinie von 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Hintergrund sind nach Angaben der Bank Verzögerungen bei der Kapitalerhöhung.

Im August ist klar: Die KfW muss die IKB-Kapitalerhöhung nahezu allein stemmen. Der Vollzug der Kapitalerhöhung wird voraussichtlich erst im Oktober erfolgen, weil eine Entscheidung der europäischen Wettbewerbshüter abgewartet wird. Am 21. August kauft Lone Star das gesamte Aktienpaket der KfW.

Die KfW hatte sich eher unfreiwillig in der Rolle des IKB-Eigners wiedergefunden, nachdem die IKB im Juli 2007 infolge dramatisch schiefgegangener Spekulationsgeschäfte mit US-Hypotheken kurz vor dem Zusammenbruch stand. Daraufhin sprang die staatseigene KfW der IKB durch Risikogarantien, Darlehen und Kapitalspritzen in Höhe von insgesamt 7,2 Milliarden Euro zur Seite und erhielt im Gegenzug 90,8 Prozent der IKB-Anteile. Seit Jahresanfang suchte sie nach einem Käufer.

Die texanische Private-Equity-Firma Lone Star ist in Deutschland kein unbeschriebenes Blatt, spätestens seit sie 2002 - erfolglos - für die ins Trudeln geratene Bankgesellschaft Berlin bot. 2005 übernahm sie dann von den Gewerkschaften die angeschlagene Hypothekenbank AHBR, die heute als Corealcredit Bank firmiert und wieder Gewinne macht. Neben Finanzfirmen investiert Lone Star vorzugsweise in Immobilien und notleidende Kredite. So hat die Beteiligungsfirma auch deutschen Banken zahlreiche Immobiliendarlehen abgekauft - und machte anschließend ihrem Ruf als Heuschrecke mit rabiaten Inkassomethoden alle Ehre. Selbst Hausbesitzer, die ihre Hypothek stets bedient hatten, sahen sich plötzlich mit einer drohenden Zwangsversteigerung konfrontiert.

KfW-Vorstandssprecher Wolfgang Kroh sah gestern jedoch Anlass zur Freude. Lone Star habe zugesichert, die auf Darlehen für mittelständische Unternehmen spezialisierte IKB zu erhalten. Und die KfW bleibe auf keinen "unüberschaubaren Risiken" sitzen. Wegen des niedriger als erhofft ausgefallenen Kaufpreises könnten zwar noch weitere bilanzielle Belastungen für die KfW entstehen, so Kroh. Doch dürfte sich die Gesamtbelastung der KfW auf maximal 8 Milliarden Euro beschränken.

Nach Angaben von IKB-Chef Günther Bräunig will der Investor den größten Teil der Risiken übernehmen: Lone Star wolle notleidende Wertpapiere im Nennwert von 3,3 Milliarden Euro in eine weitere Zweckgesellschaft auslagern und diese mit frischem Kapital ausstatten. Bei der KfW würden 1,3 Milliarden Euro an Wertpapieren verbleiben.

Die KfW war durch die IKB-Rettungsaktionen tief in die roten Zahlen gerutscht. In welcher Höhe öffentliche Gelder zur Sanierung der Bank abgeflossen sein werden, zeigt sich wohl erst in der Zukunft, meint Alexandra Krieger, Finanzexpertin bei der Hans-Böckler-Stiftung. Die Kapitalerhöhung über 1,25 Milliarden Euro, die durch den niedrigen Kaufpreis nur zum kleinen Teil aufgewogen wird, erhält Lone Star gewissermaßen als Mitgift. Bei den notleidenden Wertpapieren dagegen, für die die KfW Garantien abgegeben hat, ist das wirkliche Ausmaß der Verluste zurzeit noch nicht absehbar. Nicht jede wackelige Hypothek muss am Ende wirklich abgeschrieben werden.

Was aber treibt Lone Star überhaupt dazu, nicht nur die Krisenbank, sondern auch das kriselnde Wertpapierportfolio zu erwerben? Die Antwort der Finanzexpertin Krieger: "Die Risiken hat sich Lone Star ja mit einem kräftigen Kaufpreisabschlag vergüten lassen. Nun spekuliert der Finanzinvestor darauf, dass er die Wertpapiere irgendwann, wenn sich die Immobilienkrise beruhigt hat, doch noch mit Gewinn verkaufen kann."

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