Weniger Scheidungen: Ackern für die Langzeitehe
Die Zahl der Ehescheidungen sinkt: Wer heute heiratet, hat sich das gut überlegt. Das 90er-Konzept wechselnder "Lebensabschnittsgefährten" ist kein neues Leitbild geworden.
So ist das mit den gesellschaftlichen Trends: Erst werden sie groß verkündet. Und dann ist alles doch ein bisschen anders. Immer mehr Ehen bröckeln, die "serielle Monogamie", der Wechsel des Partners alle paar Jahre, ist im Kommen, so verkündeten noch vor Jahren die Trendforscher. Doch das Statistische Bundesamt meldete am Donnerstag trocken: "Die Zahl der Ehescheidungen geht um 2 Prozent zurück". Ehen sind stabiler als angenommen, und Menschen funktionieren vielleicht doch ein bisschen anders, als man vorschnell annimmt.
Bei Betrachtung der absoluten Zahlen muss man zwar berücksichtigen, dass nicht nur die Scheidungen, sondern auch die Zahl der Ehen insgesamt zurückgeht, während mehr Menschen ohne Trauschein zusammenleben. Aber auch die Verhältniswerte weisen in Richtung Beständigkeit. So wurden im vergangenen Jahr von 1.000 bestehenden Ehen 10 geschieden, genau wie im Jahre 2006 auch. Zuvor war der Anteil der Geschiedenen höher: Zwischen 2002 und 2005 gingen von 1.000 bestehenden Ehen immerhin 11 in die Brüche. 1992 hatte dieser Anteil noch bei 7 von 1000 Ehen gelegen.
Der Anteil der Scheidungen stagniert also zumindest - und das, obwohl es heute leichter geworden ist, sich zu trennen. Man kann daraus die Vermutung ableiten, dass sich heute sorgfältig geprüft hat, wer sich zu einer Heirat entschließt. Viele Paare leben vorher unverheiratet zusammen, bevor das erste Kind kommt und sie den Gang aufs Standesamt antreten. Verheiratete sind im Schnitt älter als Personen in "wilder Ehe" und haben auch häufiger Kinder, sagt die Statistik.
Doch nicht nur die längeren "Probezeiten" vor der Heirat stabilisieren. Es gibt möglicherweise noch einen weiteren Grund für den Stillstand bei den Scheidungen: Die Alternativen zur Ehe erscheinen nicht mehr als so attraktiv wie noch vor einem Jahrzehnt.
In den 90er-Jahren wurden die wechselnde "Lebensabschnittspartnerschaft" und die "Patchworkfamilie" als Beziehungsformen der Zukunft gepriesen. Ein immer neuer Partner sollte für neue sexuelle Leidenschaft und Aufmerksamkeit sorgen. Mit der Idee der "Patchworkfamilie" fantasierte man sich Beziehungsstrukturen zusammen, in der sich Stiefeltern und Stiefkinder zu einer Art Großfamilie vereinen, nachdem Psychologen und Scheidungsberater die hässlichen Konflikte mit der oder dem Ex einzuebnen verstanden. Leider waren das vor allem schöne Märchen.
Die Sache mit der sexuellen Leidenschaft scheitert schon am Physiologischen. Körperlich bedingt, ermattet das Begehren nach zweijähriger Partnerschaft, erzählen Beziehungsforscher. Dann schon nämlich machen sich in der häuslichen Zweisamkeit die Gemütlichkeitshormone breit, während die wilde Verführungschemie verfliegt. Die Neue sieht also recht schnell genauso alt aus wie die Alte. Ein Lebenspartnerwechsel allein nach Hormonlage ist ein superstressiges Unterfangen, was viele Geschiedene auch wissen.
Als geschiedener Single mit "Parship" oder anderen Internetvermittlungen auf Partnersuche zu gehen ist zudem auch nicht romantischer als eine Langzeitehe. Und dass nun immer neue, tolle Lebensabschnittsgefährten zur Verfügung stehen, wenn man nur will, wird einfach durch die Statistik widerlegt: Die Zahl der Singles steigt munter weiter an. Beziehungsformen, in denen die sexuelle Attraktivität oft als Eintrittskarte funktioniert, sind vielleicht doch nicht das Optimale in einer alternden Gesellschaft.
Auch das Konzept der "Patchworkfamilie" wirkt heute mehr wie eine Reißbrettidee von Soziologen denn als ein Leitbild für anzustrebende Beziehungsformen. Die Gefühlswelten sind einfach zu komplex, wenn sich Paare trennen. Wer zum Beispiel besänftigt die Eifersuchtsgefühle geschiedener Väter, wenn die Mutter mit dem gemeinsamen Kind und ihrem Neuen in den Urlaub fährt? Umgekehrt besteht das Dilemma natürlich genauso.
Es gibt also gute Gründe, sich auch "wegen der Kinder" anzustrengen, zusammenzubleiben. Wenn es gar zu schrecklich wird, bleibt ja immer noch der Ausstieg. Auch das meldete das Statistische Bundesamt am Donnerstag: Der Anteil der Paare unter den Geschiedenen, die sich erst nach längerer Ehedauer trennen, steigt. 2007 betrug die durchschnittliche Ehedauer bei der Scheidung 13,9 Jahre, 1990 waren es nur 11,5 Jahre gewesen. Eine Langzeitehe ist also kein Grund, es sich nur noch bequem zu machen und die Kommunikation auf das Nötigste herunterzufahren. Zum Glück.
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