Eishockey wird global: Babypuder für die Gäste

Gegen den Charme und die Härte ihrer Gäste aus den USA hatten die Berliner Eisbären keine Chance. Dennoch laufen Planspiele, das Team auch in internationalen Ligen spielen zu lassen.

Würden ihr Team auch bei Auslandseinsätzen unterstützen: Eisbären-Fans. Bild: dpa

Angesichts der stetigen Kaubewegungen des Trainers von Tampa Bay Lightning, Barry Melrose, kam man am Sonntag nicht umhin, an die 100 Kaugummi-Packungen zu denken, die die Amerikaner für ihren Halbtagesbesuch in Berlin angefordert hatten. Es war ein Posten von vielen neben Babypuder, Vaseline und 50 Einwegrasierern. Die Eisbären Berlin mussten ihren Gästen aus der National Hockey League (NHL) den gewohnten Standard bieten.

Wegen des unpünktlichen Fliegers aus Prag begann das Premierenduell zwischen einem Team aus der Deutschen Eishockeyliga (DEL) und der NHL mit 40-minütiger Verspätung. Nach dem die Schlusssirene den standesgemäßen 4:1-Erfolg von Tampa Bay besiegelt hatte, packten die Schlittschuhläufer aus Florida wieder ihre Taschen für den Weiterflug in die Slowakei. Sportlich gesehen machte der Blitzbesuch wenig Sinn.

Martin St. Louis, der mit dem NHL-Torschützenkönig Vincent Lecavalier und Vaclav Prospal den Paradesturm von Tampa Bay bildet, sagte: "Egal wo, es ist immer gut, wenn du in der Vorbereitung Spiele hast." Sprich, für die Matchpraxis hätten sie eigentlich an dem Ort bleiben können, der aus Marketing-Gründen auf ihrem Trikot prangte: "NHL - Prag 4./5. Oktober". Am nächsten Wochenende wird dort mit der Begegnung Tampa Bay Lightning - New York Rangers und in Stockholm mit dem Spiel Ottawa Senators - Pittsburgh Penguins die Saison in Europa eröffnet. Im vergangenen Jahr startete die nordamerikanische Liga in London.

Die interkontinentale Ausrichtung der NHL ist geschäftsbedingt. Der amerikanische Markt ist gesättigt, nun soll aus dem europäischen Sportbusiness Geld geschöpft werden. Diesem Zweck diente auch die Stippvisite von Tampa Bay in Berlin. Um das Produkt NHL so transparent wie möglich zu verkaufen, hatte man direkt nach dem Spiel in der Umkleidekabine den Tag der offenen Tür ausgerufen. Eine gut 20-köpfige Berliner Journalistengruppe stand erwartungsvoll im Mief der schweißgebadeten Eishockeycracks aus Übersee. Dem einheimischen Team wurden dort auch artig Komplimente gemacht.

Ob die Charme- und Marketingoffensive in Berlin etwas gebracht hat, lässt sich nur schwer einschätzen. Obwohl die Hallenbetreiber kräftig mit dem Kommen der Weltstars geworben hatten, war die neue Arena am Ostbahnhof mit 11.800 Zuschauern im Unterschied zum nächsten Heimspiel gegen Wolfsburg nicht ausverkauft. Die hart gesottenen Eisbärenfans (Lieblingsschlachtruf: "Ost-, Ost-, Ost-Berlin") machten auch am Wochenende einen eher globalisierungsresistenten Eindruck. Sie feuerten lediglich den einzigen Deutschen der Gäste, den Torwart Olaf Kölzig, an, der einst einige Spiele im Eisbärentrikot bestritt. Als Tampa Bay nach einer halben Stunde erstmals in Führung ging, skandierten sie trotzig: "Ihr werdet nie Deutscher Meister."

Das ist gewiss keine Frage. Und wenn, müsste sie umgekehrt gestellt werden. Spielen die Eisbären einmal um die größte NHL-Trophäe, den Stanley-Cup, den Tampa Bay Lightning 2004 gewann? Angeblich soll es lose Planspiele geben, eine europäische NHL-Division zu gründen. Kölzig mochte ein solches Szenario nicht ausschließen. Wie man aber in den Playoffs das Problem der weiten Reisen und der Zeitverschiebung lösen wolle, das konnte der deutsche Eishockeynationaltorwart nicht beantworten.

Doch wer weiß, welche Dynamik das transnationale Geschäft annimmt. Die NHL ist nicht der einzige Wettbewerber. Die mit finanzkräftigen russischen Sponsoren neu gegründete KHL (Kontinentale Hockeyliga) hat dem amtierenden deutschen Meister, den Eisbären, bereits Avancen gemacht, Mitglied dieses länderübergreifenden Projekts zu werden.

Noch, so sagt man bei den Eisbären, wäre das kein Thema. Für die ganz großen Spiele fehlt es den Berlinern auch noch an Klasse, wie das Duell gegen Tampa Bay Lightning zeigte. Im ersten Drittel musste zwar Olaf Kölzig sein strapaziertes Team mit einigen Paraden im Spiel halten, doch dann setzten die NHL-Profis äußerst effizient ihre körperliche Überlegenheit ein. Stürmer Ryan Malone auch jenseits des Erlaubten. Den wehrlos am Boden liegenden Eisbären-Verteidiger Richie Regehr traktierte Malone mehrmals mit seinen bloßen Fäusten, so dass er frühzeitig in die Kabine musste. "It was a nice game", resümierte der dauerkauende Trainer Barry Melrose und machte sich wieder auf den Weg zum Flughafen.

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