Kommentar SPD-Parteitag: Die Macht der Autosuggestion

Erinnert sich noch jemand daran, wie Beck abserviert wurde? Vorbei! Die SPD feiert sich entschlossen selbst. Ein Narr, wer glaubt, alle Probleme hätten sich nun in Luft aufgelöst.

Erinnert sich noch jemand an den Putsch, der Kurt Beck wieder zum Provinzpolitiker machte? Dieser kalte Machtwechsel war der Höhepunkt eines endlosen Beißkrampfes und einer echten Verrohung innerparteilicher Sitten. Vergessen, vorbei. Niemand will sich mehr an die bleichen Gesichter der SPD-Spitze am Schwielowsee erinnern. Dafür feiert die Partei sich nun entschlossen selbst. Die Stimmungsschwankungen der SPD haben etwas Extremes: von ganz unten nach ganz oben. Können Parteien eigentlich manisch-depressiv sein? Ein Tor ist jedenfalls, wer glaubt, dass sich alle Probleme in Luft aufgelöst haben, nur weil Kurt Beck keine verunglückten Parteitagsreden mehr hält. Hat Franz Müntefering begriffen, dass die Partei keine Kompanie ist, die sich je nach Gefechtslage befehligen lässt? Die Parteilinke hofft dies, wissen kann sie es nicht. Auch dass sich der trockene Frank-Walter Steinmeier als brauchbarer Wahlkämpfer entpuppt, ist ein ungedeckter Wechsel. Ob Müntefering klug genug ist, die innerparteiliche Statik zu wahren und die Parteilinke nicht doch an den Rand zu drücken - wer weiß. Es stimmt schon: Nur Parteien, die an sich glauben, können gewinnen. Und auch Autosuggestion kann wirkungsmächtig sein. Vor allem verfügt die SPD angesichts des globalen Crashs wieder über eine einigermaßen plausible Erzählung über sich selbst, die den Agenda-Streit derzeit übertönt. Wir, so das flügelübergreifende Bild, waren schon immer skeptisch gegenüber dem reinen Markt und fürs Staatliche. Das ist, wenn man etwas genauer hinsieht, geschummelt. Aber es taugt, um die Partei zu einen. Insofern nützt der SPD ihre Krise. Das Schwierige aber kommt erst. Wer so links redet wie Steinmeier & Co derzeit, muss auch etwas tun. Steinmeier will einen "Schutzschirm für Arbeitsplätze", der allerdings bislang ziemlich löchrig wirkt. Bloß kein Konjunkturprogramm, denn das klingt ja nach Traditionssozialdemokatie. Glaubwürdig aber wird diese SPD erst, wenn der Rhetorik auch die Praxis folgt. Und wenn, plakativ gesprochen, diese "rechte" Führung "linke" Politik macht. Das wäre für die SPD wirklich mal was Neues.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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