Das andere Italien: Linke Massendemo gegen Berlusconi
Hunderttausende protestieren in Rom gegen die Politik der Regierung. Oppositionschef Veltroni greift Premier Berlusconi hart an. Weitere Kundgebungen sollen folgen.
ROM taz Hunderttausende demonstrierten am Samstag in Rom, um gegen die Rechtsregierung von Silvio Berlusconi zu protestieren. Zur Demonstration aufgerufen hatte die größte Oppositionspartei des Landes, der Partito Democratico (PD) von Walter Veltroni. "Ein anderes Italien ist möglich" hieß der Hauptslogan der Kundgebung, die vor allem das Fußvolk der Demokraten nach der Wahlschlappe im vergangenen April wieder moralisch aufrichten sollte.
Veltroni hatte hoch gepokert und den enormen Circus Maximus als Platz der Abschlusskundgebung gewählt. Das hatte in den letzten Jahrzehnten nur der Gewerkschaftsbund CGIL gewagt, der 2002 mehr als drei Millionen Menschen mobilisierte, um gegen die Aufweichung des Kündigungsschutzes - auch damals schon durch eine Regierung Berlusconi - zu protestieren.
Am Samstag stellte sich heraus, dass er damit recht gehabt hatte: In zwei kilometerlangen Zügen zogen die Menschen unter den grün-roten Fahnen des PD durch die Stadt, dicht gedrängt hörten die aus dem ganzen Land angereisten Demonstranten am Ende auf dem Circus Maximus ihrem Vorsitzenden zu, der ungewohnt radikal mit Berlusconi abrechnete. Nach der Wahlniederlage hatte Veltroni seine Anhänger zunächst mit Dialogangeboten an den bei der Linken verhassten Berlusconi verunsichert und künftige Allianzen mit den anderen kleinen Oppositionsparteien ausgeschlossen. Am Samstag ruderte Veltroni zurück und geißelte scharf die Politik der Regierung im Bereich der inneren Sicherheit, der Steuern und im Bildungsbereich.
Zwar gab sich das Berlusconi-Lager völlig unbeeindruckt von der Demonstration. Doch die Massen vom Samstag - die Demokraten nannten 2,5 Millionen Demonstranten, tatsächlich dürften es zwischen 500.000 und einer Million gewesen sein - sind Teil einer breiten Protestwelle im ganzen Land. Tag für Tag gehen von Turin bis Palermo Oberschüler, Studenten, Lehrer und Eltern von Grundschülern mitsamt ihren Kleinen auf die Straße, besetzen Gymnasien und Fakultäten. Ihr Zorn wurde sowohl durch die "Reform" der Grundschule entfacht, die acht Milliarden Euro einsparen soll, als auch durch die gleichzeitige drastische Mittelkürzung für die Universitäten. In den Grundschulen sollen in den nächsten drei Jahren knapp 90.000 Lehrerstellen wegfallen; an den Unis darf in Zukunft nur noch jede fünfte freiwerdende Dozentenstelle neu besetzt werden. In einem unüblichen Schulterschluss von Professoren, Lehrern, Eltern, Schülern und Studenten protestiert das gesamte Bildungssystem gegen diese Streichorgie. Schon im Laufe dieser Woche wird Rom deshalb wohl wieder Hunderttausende auf der Straße sehen. Für Mittwoch, wenn der Senat die vom Abgeordnetenhaus gebilligte Schulreform endgültig verabschiedet, werden tausende Demonstranten erwartet. Am Donnerstag werden alle Schulen des Landes in Streik treten und zu einer Kundgebung in Rom aufrufen.
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