Ultimatum für Pakistans Taliban: Aufstand der Stämme

In Pakistans halbautonomen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan spitzt sich der Konflikt zwischen den Stämmen und den lokalen Talibankämpfern zu.

Durch Selbstmordanschlag zerstörte Polizeistation im Swat-Tal. : dpa

DELHI taz In Pakistans Nordwesten gehen Stammesmilizen jetzt gegen lokale Taliban vor. Zu einer der bislang schwersten Auseinandersetzungen kam es am Wochenende im Swat-Tal 150 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Islamabad. Dabei starben mindestens 42 Menschen. Über 4.000 Stammesälteste hatten sich in der Stadt Gwalerai zu einer Versammlung getroffen. Sie beschlossen, sämtliche Mädchenschulen in der Region wiederzueröffnen, die islamistische Kämpfer geschlossen oder zerstört hatten. Sie stellten auch eine gemeinsame Stammesmiliz auf und forderten die selbsternannten Pakistanischen Taliban (TTP) ultimativ auf, die Region zu verlassen.

Als das Ultimatum am Sonntag verstrich, schlugen Anhänger des radikalen Geistlichen Maulana Fazlullah zu: Sie nahmen 80 Stammesälteste gefangen, die noch auf dem Weg zu dem Treffen waren. Die Stammesmiliz befreite die meisten Geiseln und tötete ein Dutzend von Fazlullahs Kämpfern. Diese erschossen darauf die letzten zwölf Geiseln in ihrer Gewalt. Ein Sprecher der Islamisten sagte, damit sollte den Menschen vor Ort "eine Lektion erteilt werden", sich nicht mit den Taliban anzulegen.

Bereits seit Monaten greifen immer mehr Stämme in Pakistans Nordwesten zu den Waffen und vertreiben die oft ausländischen Islamisten aus ihren Gebieten. Diese halten sich in der Region auf, seit Pakistans Militärmachthaber Mohammad Zia ul-Haq nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan 1979 Muslime aus aller Welt dazu aufgerufen hatte, sich den Milizen radikaler Geistlicher in der Region anzuschließen. Über Pakistans Geheimdienst ISI bewaffneten und trainierten die USA die Islamisten in der unwegsamen Region. Nach Abzug der Sowjets aus Afghanistan 1989 hielt Pakistans Militär an den Islamisten fest, um sie noch im Kaschmirkonflikt zu gebrauchen.

In den vergangenen Jahren errichteten die Islamisten in den paschtunischen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan ein Regime nach dem Vorbild der afghanischen Taliban. Diese und das Terrornetzwerk al-Qaida formierten sich dort neu und setzen seitdem die US-geführten Streitkräfte in Afghanistan mit grenzüberschreitenden Angriffen unter Druck. Ende 2007 schlossen sich 40 Islamistenmilizen zu den Pakistanischen Taliban (TTP) zusammen. Mit ihrer Gewalt konnten sie in der Region selbst jedoch nur wenige Anhänger gewinnen.

Studien in den halbautonomen Stammesregionen legen nahe, dass die Menschen dort die Islamisten nahezu einhellig ablehnen. Stattdessen wünschten sie sich eine Modernisierung sowie auch Bildung für ihre Frauen und Mädchen. Das könnte zum Schlüssel im Kampf gegen die Islamisten werden: Ähnlich wie im Irak sollen sich nun die Stämme selbst von den Islamisten befreien. Sicherheitskräfte sollen sie dabei unterstützen.

Am Montag trafen sich 50 Führer afghanischer und pakistanischer Paschtunenstämme sowie Politiker beider Länder in Islamabad. Sie wollen Strategien gegen die Islamisten erarbeiten. "Afghanistan und Pakistan sind beide mit Terrorismus konfrontiert und müssen sich der Herausforderung gemeinsam stellen", sagte Pakistans Außenminister Shah Mahmood Qureshi.

Bei einem mutmaßlichen US-Raketenangriff in Südwasiristan nahe der afghanischen Grenze wurden am Montag ein Taliban-Kommandeur und 19 weitere Menschen getötet, darunter acht ausländische Islamisten. Das berichtete ein Sicherheitsbeamter, der anonym bleiben wollte.

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