Demo in Italien: Proteste gegen Bildungsreform
Tausende Italiener demonstrieren in Rom und anderen Städten gegen das Paket zur Reform der Grundschulen. Dieses sei einfach nur ein radikales Sparprogramm.
ROM taz Nichts ging mehr am Donnerstag im Zentrum Roms. Statt des einen geplanten zogen schließlich drei enorme Demonstrationszüge durch die italienische Hauptstadt, um gegen die Bildungsbeschlüsse der Regierung von Silvio Berlusconi zu protestieren. Kinder aus den Grundschulen Roms, aus dem ganzen Land angereiste Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Oberschüler- sie alle sangen Spottlieder auf die Bildungsministerin Mariastella Gelmini, deren Politik auf Kosten der Bambini gehe.
Und nicht nur in Rom wurde demonstriert. In ganz Italien hatten sämtliche Lehrergewerkschaften zum Generalstreik an Schulen und zu Kundgebungen in zahlreichen Städten aufgerufen. Gegenstand ihres Zorns ist das am Mittwoch endgültig vom Senat - der zweiten Kammer des italienischen Parlaments - verabschiedete Paket, das vorgeblich der Reform der Grundschulen dient. In Wirklichkeit - so Lehrer, Schüler und Eltern in selten gesehener Einheit - habe die Regierung bloß ein radikales Sparprogramm auf Kosten der Schulen verabschiedet. In den nächsten drei Jahren sollen fast 90.000 Lehrerstellen wegfallen, womit die staatlichen Ausgaben um 8 Milliarden Euro sinken würden - womit aber auch der Ganztagsunterricht an den meisten Schulen kaum mehr aufrechtzuerhalten wäre.
Der Mobilisierungserfolg der Protestbewegung konnte auch nicht durch gezielte Provokationen faschistischer Schlägertrupps gestoppt werden, die am Vortag unweit des Senats, mit Knüppeln bewaffnet und von der Polizei zunächst völlig unbehelligt, auf der Piazza Navona Demonstranten attackierten. Die Berlusconi-Medien sprachen anschließend von "Krawallen zwischen rechten und linken Studenten" und verschwiegen, wer die Täter und wer die Opfer waren. Die Gewerkschaften reagierten am Donnerstag auf der Großdemonstration, indem sie einen ebenso diskreten wie allgegenwärtigen Ordnerdienst mobilisierten. Berlusconi, der sich noch im September über Popularitätswerte von 62 Prozent freuen durfte, muss mittlerweile einen deutlichen Knick in den Zustimmungswerten hinnehmen. Nur noch gut 40 Prozent der Bürger schätzen sein Wirken positiv ein. Und die Opposition im Parlament will auch in Zukunft dafür sorgen, dass die unpopuläre Schulreform trotz der Verabschiedung im Parlament im Zentrum der politischen Auseinandersetzung bleibt.
Auf der Demonstrationsroute jedenfalls waren zahlreiche frisch geklebte Plakate zu sehen, auf denen die Demokratische Partei ankündigte, sie werde jetzt zu einem Referendum gegen die Schulreform mobilisieren.
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