Tempelhof: Abschiedsparty: Sag zum Abschied lauthals Servus

Tempelhof feiert ein letztes Mal.

Dirk Prehn blickt etwas verwirrt drein. In der einen Hand hält er ein gefülltes Weizenbierglas, in der anderen den Griff seines Rollkoffers. "Ich hatte mich schon gewundert, dass in Mannheim am Abflugschalter so viel los war", sagt er. "Aber dass ich hier mitten in eine Party hineinplatze?" Der Unternehmer, der von der Schließung Tempelhofs nichts gewusst hat, sucht sich einen Stehtisch im vorderen Bereich der Abflughalle, stellt sein Bier ab -und beschließt zu bleiben.

Prehn ist einer der wenigen Gäste, die die exklusive Abschiedsgala am Donnerstagabend als Erfolg verbuchen. Vor dem Flughafengebäude demonstrieren im strömenden Regen Tempelhof-Anhänger. "Tempelhof bleibt, Wowi fliegt", skandieren sie und fordern den Unesco-Welterbe-Status für das Gebäudeensemble.

Jede "very important person" muss sich auf dem Weg zum Party-Eingang beschimpfen und ausbuhen lassen. Drinnen hält der Regierende Bürgermeister eine Rede, die Nachrichtenagenturen als emotionslos bezeichnen. Als Klaus Wowereit die Flughafenschließung zum jetzigen Zeitpunkt verteidigt, buhen auch die geladenen Gäste. Kurz, aber immerhin. Bei der Erinnerung an die Alliierten applaudieren sie.

Wowereit verschwindet hernach auffallend schnell - genauso wie viele andere. Am noblen Buffet, serviert auf den stillstehenden Gepäckbändern, haben sie noch Schlange gestanden: Lachs und Shrimps, französischen Hirschkeulenbraten, Haselnussspätzle und Pariser Schokoladentorte will sich keiner entgehen lassen. Schon als die letzte Linienmaschine kurz nach 22 Uhr in Richtung Mannheim abhebt, haben sich die Tische in der Halle aber merklich gelichtet.

Das Double von Elvis im Endstadium und das Tina-Turner-Imitat trällern bereits vor spärlichem Publikum. Und den Gewinner des RTL-Talentwettbewerbs "Supertalent", Ricardo Marinello, will kurz vor Mitternacht kaum einer mehr hören - trotz "time to say goodbye".

Dabei ist der 19-Jährige der Höhepunkt des Abends. Er singt den letzten zwei Maschinen, die jemals Tempelhof verlassen sollten, einen Abschied hinterher.

Dann holt ein Mädchen die Flughafenfahne ein, ein Trompeter bläst laut Agentur "Gruftmelodien". Um 23.55 Uhr hebt eine Junkers Ju 52 zeitgleich mit einem "Rosinenbomber" in Richtung Schönefeld ab. Die fünf Demonstranten, die es auf das Rollfeld geschafft haben, pusten in ihre Trillerpfeifen. Die vor Kälte bibbernden Gäste gehen zurück ins Flughafengebäude, holen sich ihre Jacken und fahren nach Hause. Die Lichter auf der Rollbahn erlöschen.

Dirk Prehn liegt zu dieser Zeit wohl längst im Bett. Nach dem zweiten Weizenbier hat er das Fest verlassen und ist ins Hotel gefahren. Er wollte vor dem Schlafengehen unbedingt noch seine Rückreise nach Mannheim klären. "Das war überhaupt meine erste Frage, wie komme ich denn dann zurück, wenn Tempelhof dicht ist?"

Er fliegt am Freitag ab Tegel zurück. KRISTINA PEZZEI

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