Kommentar Konjunkturprogramm: Ein chinesischer New Deal

Das neue Konjunkturprogramm ist ein chinesischer New Deal. Die Krise zwingt die KP dazu, den Reichtum auf die bäuerlichen Hinterlandprovinzen umzuverteilen.

Die Analysten der US-Investment-Bank Morgan Stanley hatten die Regierung in Peking rechtzeitig gewarnt: Ein chinesischer Fiskalplan ohne die notwendige Transparenz und Abstimmung mit dem Marktgeschehen könnte seine vertrauensbildende Wirkung leicht verfehlen. Seit wann aber formuliert eine kommunistische Partei ihre Wirtschaftspolitik transparent und in Abstimmung mit dem Markt?

Die Antwort gab die KP mit einem 460-Milliarden-Euro-Konjunkturprogramm, das die Börsen Asiens in die Höhe schnellen ließ, gerade weil es so transparent ist. Nicht nur eine beeindruckende Investitionssumme für den begrenzten Zeitraum von zwei Jahren stellen die Kommunisten in Aussicht; wichtiger für die Märkte ist, dass sie auch sagen, was sie damit bezahlen wollen.

Dabei scheint das Programm auf den ersten Blick wenig einfallsreich: Häuser und Straßen, Kläranlagen und Bewässerungsgräben sollen gebaut, das Eisenbahnnetz ausgeweitet werden. Doch es sind genau diese Dinge, von denen die Welt weiß: Die Chinesen können und brauchen das. Im Grunde zwingt die Krise jetzt die KP zu dem, was sie eigentlich schon in den letzten Jahren, als sich die Devisenkasse des Landes prall füllte, hätte tun müssen: den im Exportgeschäft in den reichen Küstengegenden verdienten Reichtum umzuverteilen auf die bäuerlichen Hinterlandprovinzen. Die Krise in den reichen Industrieländern entpuppt sich damit tatsächlich als Chance für die Schwellenländer. China kann sein Wirtschaftswachstum nur erhalten, indem es breitere Bevölkerungsschichten am Wohlstand teilhaben lässt.

Das neue Konjunkturprogramm ist ein chinesischer New Deal. Ein indischer New Deal könnte folgen. Auch Neu-Delhi ist fiskalisch in einer starken Position. Das wiederum birgt neue Chancen für den sogenannten Süd-Süd-Handel unter Schwellen- und Entwicklungsländern. Schon handeln diese Länder untereinander genauso viel wie mit den Industrieländern. Die wechselseitigen Direktinvestitionen haben sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Sie werden umso wichtiger werden, je stärker die Rezession im Westen zuschlägt.

GEORG BLUME

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.