Neuer Rahmen für die Finanzmärkte: Der Gipfel des Kapitalismus

Die neue Finanzordnung wird nicht am Wochenende beschlossen. Einige Vorschläge, die Karriere machen könnten.

Gute Laune vor dem Weißen Haus: Demonstration gegen G20-Finanzgipfel in Washington. Bild: dpa

Wird der Kapitalismus am Wochenende in Washington abgeschafft? Nein. Doch was in den vergangenen dreißig Jahren als utopisch schien: Theoretisch herrscht der politische Konsens, dass das Weltfinanzsystem nicht weiter liberalisiert, sondern besser reguliert werden muss.

Um das zu bewerkstelligen, treffen sich diesen Freitagabend und Samstag die Regierungen der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen in der US-Hauptstadt. Die wichtigste Frage lautet schlicht: Wie soll ein neuer Rahmen für die Finanzmärkte aussehen? Eine politische Antwort auf diese Frage zu finden, ist auch deshalb so schwer, weil eine praktische Folge schon jetzt ziemlich klar ist. Investmentfonds, Hedgefonds und Banken müssten sich auf weniger Gewinne einstellen.

2006 zahlte die Investmentbank Goldman Sachs ihren 26.000 Mitarbeitern rund 16 Milliarden Dollar als Gehälter - durchschnittlich 615.000 Dollar pro Kopf. Mit einer strengeren Regulierung wird dieser Geldsegen versiegen.

Weniger Gewinne für die Banken an der New Yorker Wall Street und in der Londoner City - diese Aussicht ist ein Grund, warum beim Krisengipfel in Washington vermutlich nicht viel Konkretes herauskommen wird. Traditionell lehnen die Regierungen der USA und Großbritanniens Maßnahmen ab, die ihren Finanzbranchen zu große Beschränkungen auferlegen. Zudem: George W. Bush amtiert nur noch bis Januar. Dann übernimmt Nachfolger Barack Obama die Amtsgeschäfte. Erst danach können richtige Verhandlungen beginnen.

Daher wäre Bundesfinanzminister Peer Steinbrück schon zufrieden, wenn "ein Mandat erteilt" würde, um einen regulatorischen Rahmen für die Finanzmärkte zu erarbeiten". In "100 Tagen" soll man sich zum nächsten Gipfel treffen, bei dem dann entschieden wird. Die europäischen Regierungen peilen an, Ansätze einer internationalen Bankenaufsicht ins Leben zu rufen. "Kein Finanzinstitut, Marktsegment oder Territorium darf ohne angemessene Regulierung oder zumindest Beaufsichtigung bleiben", lautet der zentrale Satz. Auch Hedgefonds und Rating-Agenturen sollen nicht mehr machen können, was sie wollen. Das ist ein politischer Anspruch, der in vergangenen Zeiten völlig undenkbar erschien.

Doch gleichzeitig bleiben Bundesregierung und EU hinter dem zurück, was sinnvoll wäre. Peter Bofinger, Wirtschaftsberater der Bundesregierung, argumentiert, dass es mit Kontrolle nicht getan sei. Anstatt die privaten Rating-Agenturen lediglich zu beaufsichtigen, schlägt er vor, eine staatliche europäische Agentur zu gründen. Diese könne ein Gegengewicht zu angelsächsischen Firmen Standard & Poors und Moodys schaffen, die mit ihrer falschen Bewertung von Wertpapieren zur Finanzkrise beitrugen. "Ich sehe die Gefahr, dass der Weltfinanzgipfel nur kosmetische Änderungen beschließt, aber keinen grundsätzlichen Richtungswechsel", sagte Bofinger.

Auch an einem zweiten Punkt geht der Wirtschaftsprofessor über den EU-Plan hinaus. Bofinger fordert, ein internationales Kreditregister zu gründen. Darin sollten alle Banken, Fonds und Investoren ihre Schulden verzeichnen müssen. Die Zusammenballung finanzieller Risiken wäre für die Bankenaufsicht rechtzeitig zu erkennen. Auch Ottmar Issing, der ehemalige Chefvolkswirt der Bundesbank, hat das Kreditregister in seinen Antikrisenplan aufgenommen, mit dessen Ausarbeitung Kanzlerin Merkel ihn beauftragt hatte.

Als weitere Regulierungsschritt will die EU den Banken vorschreiben, dass künftig alle Geschäfte in den Bilanzen auftauchen müssen - auch die von Ablegern in Niedrigsteuerländern wir Irland oder Steueroasen wie den Cayman-Inseln. Die nicht bilanzierten Milliardenverpflichtungen ausländischer Tochterbanken hatten auch deutsche Institute, unter anderem die Sächsische Landesbank und die Münchener Hypo Real Estate, in die Finanzkrise hineingezogen. Außerdem sollen die Institute künftig mehr Eigenkapital in Reserve halten, wenn sie risikoreiche Geschäfte tätigen. Absicht: Die Transaktionen würden teurer, die Vorsicht nähme zu.

Kritischen Ökonomen gehen selbst diese Pläne nicht weit genug. So plädiert Margit Schratzenstaller vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung dafür, die Gunst der Stunde zu nutzen und eine weltweite Steuer auf Finanztransaktionen einzuführen.

Diese Steuer hätte zwei Wirkungen: Würde sie auf alle Finanzgeschäfte erhoben, entzöge sie den Märkten Geld und könnte die Spekulation bremsen. Außerdem würde sie leicht Staatseinnahmen von mehreren hundert Milliarden Euro erbringen. Diese könnte man den Vereinten Nationen überweisen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat den Weltfinanzgipfel aufgerufen, auch die Interessen der ärmeren Länder zu berücksichtigen. Die Menschen in den Entwicklungsländern seien am stärksten betroffen vom weltweit stockenden Wirtschaftswachstum, schrieb Ban in einem Brief an die Gipfelteilnehmer.

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