Zu viele Konzessionen an Serbien: EU-Mission im Kosovo gefährdet

Kosovoalbaner lehnen den Sechspunkteplan der UN ab. Dieser stelle die Souveränität des Staates Kosovo infrage und komme den Forderungen der Serben zu weit entgegen.

Das Zerren um das Kosovo geht weiter. Bild: dpa

PRISTINA taz Bei vielen Menschen im Kosovo liegen derzeit die Nerven blank. "Ich habe zwei Nächte lang geweint", sagt Beza L. Die pensionierte ehemalige Lehrerin ist über die Entwicklung der letzten Tage schockiert. "Unsere Politiker haben uns die Unabhängigkeit versprochen, 52 Länder haben sie anerkannt, und jetzt fängt alles wieder von vorne an." Ihr ganzes Leben sei von der serbischen Politik dominiert gewesen, "wann ist endlich Schluss, wann endlich ist Frieden, wann endlich können wir Albaner Ruhe finden?"

In den nächsten Tagen sicherlich nicht. So verübten am Freitagabend unbekannte Täter einen Bombenanschlag auf das neue Verwaltungsgebäude der EU-Mission. Und am Samstag fielen Schüsse in Mitrovica. Zwar wurde niemand verletzt, aber diese Ereignisse lösen Nervosität aus.

Die Lage ist deshalb so angespannt, weil nach dem diplomatischen Druck der französischen EU-Ratspräsidentschaft, den Sechspunkteplan des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon vom vergangenen Montag anzunehmen, der kosovarischen Führung nichts anderes übrig blieb, als ihn strikt abzulehnen. Der diplomatisch-politische Druck des französischen Außenministers Bernard Kouchner, der sich wie ein Ultimatum anhörte, und natürlich die im Plan enthaltenen Konzessionen an Serbien gehen den Albanern zu weit.

In der Tat kommt der Plan den Forderungen der Serben weit entgegen und schreibt die Teilung Kosovos in ethnisch getrennte Gebiete fest. Die vor der Unabhängigkeitserklärung am 17. Februar 2008 ethnisch gemischte Polizei wird nun endgültig aufgeteilt - in eine von der UN geführte serbische Polizei in Nordmitrovica und den serbischen Enklaven und in eine von der EU angeleitete Polizei in den Albanergebieten. Die direkte Grenze zwischen den Serbengebieten um Mitrovica zu Serbien wird nach UN-Regularien überwacht. Die Zölle sollen den Serben im Kosovo zugute kommen und nicht der Regierung in Pristina.

Ebenfalls wird nach dem Willen der UN das serbische und kosovoalbanische Justizsystem unabhängig voneinander bestehen bleiben. Die anderen drei Punkte über Infrastruktur und Transport, den Schutz serbischer Kirchen und Grenzkontrollen durch die internationalen KFOR-Truppen sind dagegen weniger aufregend, weil sie in der Praxis schon umgesetzt sind. Alles in allem wird die Souveränität des unabhängigen Staates Kosovo nicht mehr nur unterminiert, sondern in Frage gestellt.

Und das führte nicht nur zu scharfen Worten des kosovoalbanischen Premierministers Hashim Thaci, der erklärte, "unsere Position wird sich nicht verändern, die sechs Punkte haben sich zu verändern", sondern auch in der Bevölkerung und den Medien. Die Kritik richtet sich nun nicht nur gegen die UN, sondern auch gegen die EU-Mission, die nach den ursprünglichen Plänen am 2. Dezember endgültig die Regie im Lande übernehmen sollte.

Diese Mission ist nun gefährdet, denn sie kann nach dem Sechspunkteplan nicht alle ihr zugedachten Funktionen übernehmen. Die Mission ruht auf zwei Pfeilern: Dem International Civil Office (ICO) unter dem International Special Representative (ICR), dem Niederländer Pieter Feith. Das ICO sollte nach dem Willen Brüssels Teile der Macht der alten UN-Mission übernehmen. Daneben sollte die administrativ unabhängig von Feith operierende Mission Eulex das Justizsystem, die Verwaltung und die Polizei mit aufbauen helfen. Brüssel will mit seiner Mission rund 2.000 Polizisten, Richter, Zöllner und Verwaltungsfachleute ins Kosovo bringen. Schon seit einigen Monaten will der UN-Generalsekretär die Eulex-Mission in den Serbengebieten der UN unterstellen und damit den Serben entgegenkommen.

Der serbische Präsident Boris Tadic erklärte am Samstag, entweder wird die Eulex nach dem Sechspunkteplan installiert oder "es wird Eulex nicht geben". Die EU müsse die seit neun Monaten unabhängige frühere serbische Provinz Kosovo zwingen, die serbischen Forderungen zu akzeptieren, sagte Tadic weiter.

Klar ist jetzt nur eines: Das gesamte Vorhaben der EU im Kosovo wird verzögert oder ist sogar dabei, zu scheitern. Die Albaner hoffen jetzt auf das Ende der französischen Ratspräsidentschaft in der EU und die Übernahme der Macht durch die Demokraten in den USA. Denn auch die Bush-Administration stellte sich zur Enttäuschung der Albaner hinter den Plan der UN.

Für Beza L. ist das alles zu kompliziert. Die pensionierte Lehrerin will jetzt demonstrieren. Für den Mittwoch haben Organisationen der Zivilgesellschaft eine Kundgebung angekündigt. Die im Parlament vertretenen Parteien halten sich mit solchen Aktionen vorerst noch zurück.

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