Kommentar Finanzkrise: Strategische Schwarzmalerei

Es ist zu befürchten, dass Kanzlerin und Finanzminister tatsächlich meinen, was sie sagen: Es sieht mies aus. Zieht euch warm an. Wir sind's jedenfalls nicht gewesen.

Adventsbotschaften klingen anders. "Ein Jahr schlechter Nachrichten" stehe uns 2009 bevor, sagt Kanzlerin Merkel, und auch Finanzminister Steinbrück sieht "ein schweres Jahr 2009" vor uns liegen. Wenn zwei so wichtige Koalitionäre in Teilen aussagegleiche Sonntagsinterviews geben, haben sie sich vermutlich verabredet. Aber spricht das nun für den Ernst der Lage oder dagegen?

Es gibt schließlich auch parteitaktische Gründe für solche Sätze. Merkel könnte sich mit ihrer "Die Krise ist groß, aber wir haben alles Notwendige getan"-Rhetorik die Forderungen der CSU nach Steuersenkungen vom Hals halten wollen. Dabei schadet ihr die Unterstützung Steinbrücks allerdings mehr, als dass sie ihr nützt. Denn dass die CDU die Finanzpolitik der SPD betreibe - das ist ja gerade der Vorwurf der Bayern, die darin noch von den CDU-Mittelständlern bestärkt werden.

Steinbrück wiederum versucht mit der gleichen Aussage wie Merkel, nur etwas derber formuliert ("Rattenrennen"), den Gewerkschaftsflügel der SPD mit seinen Forderungen nach einem Konjunkturpaket ruhigzustellen. Doch für ihn gilt das Gleiche wie für Merkel: Dass die Kanzlerin seinen Kurs unterstützt, macht ihn mit seinen Argumenten in sozialdemokratischen Reihen eher verdächtig.

Möglich, dass Merkel und Steinbrück gemeinsam die Aussichten jetzt deshalb so stark verdüstern, um im kommenden Wahlkampfjahr jeden noch so schwachen Lichtblick als eigene Leistung verkaufen zu können. Dies, so ihr denkbares Kalkül, könnte dann je zur Hälfte auf das Konto von Union und SPD verbucht werden. Doch das wäre eine wirklich riskante Strategie: Allgemeines Schlechtreden und Schwarzsehen gehört weltweit nicht zu den erfolgreichen Regierungsmethoden.

Wahrscheinlicher ist daher, dass Merkel wie Steinbrück tatsächlich meinen, was sie sagen: Es sieht mies aus. Zieht euch warm an, wir haben nichts mehr für euch. Wir sinds jedenfalls nicht gewesen, das wollen wir hier und jetzt schon einmal feststellen. Aber wenn sich die Regierung jetzt schon duckt, lässt das für das Wahljahr tatsächlich nichts Gutes hoffen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.