die wahrheit: Ansichtskarte ohne Ansicht

Wer in Großbritannien einen Brief aufgeben möchte, sollte ihn lieber persönlich beim Adressaten vorbeibringen...

Wer in Großbritannien einen Brief aufgeben möchte, sollte ihn lieber persönlich beim Adressaten vorbeibringen. Die Royal Mail, die 1516 von Heinrich VIII. gegründet wurde, befördert die Post kaum schneller als zu Zeiten des Tudor-Königs. Sie gehört zu den wenigen Staatsunternehmen, die bisher noch nicht privatisiert worden sind. Im Jahr 2000 wurde die Königliche Post in "Consignia" umbenannt, bis der Regierung die Doppeldeutigkeit auffiel und man wieder zum alten Namen zurückkehrte. "Consign" bedeutet laut "Oxford Pocket Dictionary" nämlich: "Etwas dem Elend, dem Grab oder einer anderen Person übergeben."

Im Fall der Royal Mail ist die erste Bedeutung zutreffend. Meine Ansichtskarte von Liverpool nach Dublin war drei Monate unterwegs, obwohl sie ausreichend frankiert und mit Luftpostaufkleber versehen war. Der Flug zwischen beiden Städten, die sich an der Irischen See gegenüber liegen, dauert 20 Minuten. Mein zweiter Versuch, eine Karte von Manchester, das um die Ecke von Liverpool liegt, zu schicken, war kaum erfolgreicher.

Auf britischen Briefmarken gibt es keine Länderbezeichnung, weil die Briten behaupten, dass sie die Postwertzeichen 1840 erfunden haben und alle anderen nur Plagiate sind. Inzwischen gibt es auch kaum noch Wertangaben auf den Marken. Stattdessen steht "1st" oder "2nd" darauf. Die Queen lässt es sich gefallen, dass neben ihrem Bild der Vermerk "2. Klasse" steht? Offenbar handelt es sich um Sparmaßnahmen. So kann man die Briefmarken nach einer Portoerhöhung weiterverwenden und zum höheren Preis verkaufen. Wer klug ist, hortet die Marken.

Meine Briefmarke erster Klasse reichte allerdings nicht aus, um eine Ansichtskarte per Luftpost von Manchester nach Dublin zu befördern. Die Royal Mail erhebt jedoch keine Nachgebühr. Sie rächt sich auf andere Weise: Quer über die Karte war die Mitteilung geklebt, dass der Absender nicht genügend Porto berappt habe und die Karte deshalb "auf einen alternativen Dienst umgeleitet" wurde. Die Postkutsche? Man entschuldigte sich für die Verspätung. Dabei wurde die Karte schneller zugestellt als die ausreichend frankierte Ansichtskarte aus Liverpool. Nur von der Ansicht war wegen des Aufklebers nichts mehr zu sehen.

Die Königliche Post ist auch für Nordirland zuständig, was die Post in die Republik Irland aber auch nicht beschleunigt, obwohl es keine Meere zu überwinden gilt. Wer zum Beispiel einen Brief aus Strabane im Nordwesten der britischen Provinz ins benachbarte, aber in der Republik Irland gelegene Lifford schicken möchte, muss eine Menge Geduld haben. "Man könnte ein Papierflugzeug von Strabane nach Lifford werfen", sagte der Abgeordnete für Strabane, Barry McElduff, "so nah liegen die Orte beieinander."

Stattdessen geht die Sendung zunächst ins Briefzentrum in der nordirischen Hauptstadt Belfast an der Ostküste. Von dort wird sie ins Briefzentrum in die irische Hauptstadt Dublin weitergeleitet. Dann geht es in die Sortierstelle in Athlone in der Mitte Irlands, von wo der Brief die Reise zurück in den Nordwesten nach Lifford antritt. Vor allem das letzte Stück ist landschaftlich durchaus reizvoll. Aber ob ein Brief das zu würdigen weiß?

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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