Regierungsbildung in Österreich: Große Koalition 2.0

Knapp zwei Monate nach der Wahl einigen sich Sozialdemokraten und Konservative in Österreich auf eine Regierung. Doch das Programm bleibt vage.

Altes Modell neu belebt: SPÖ-Chef Faymann und der designierte ÖVP-Chef Pröll. Bild: dpa

Österreich bekommt eine neue Regierung. 48 Tage nach den Nationalratswahlen vom 28. September einigten sich SPÖ-Chef Werner Faymann und der designierte ÖVP-Vorsitzende Josef Pröll auf eine Neuauflage der großen Koalition, die nach schweren Verlusten beider Parteien keine so große mehr ist.

Kernstück des 267 Seiten starken Abkommens ist ein Konjunkturpaket und eine Steuerreform von drei Milliarden Euro, die die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise gering halten sollen. Das ist auch das einzige Kapitel, das mit Zahlen und Terminen ausgestattet ist. In allen anderen Bereichen bleibt man wortreich vage, was von der Opposition unisono kritisiert wurde. SPÖ-Chef Faymann rechtfertigte die schwammigen Formulierungen mit der Komplexität der Aufgaben, etwa in der Gesundheitsreform und der Staatsreform. Man dürfe dem Volk nichts versprechen, was man nicht halten könne.

Insgesamt lassen sowohl das Programm als auch die Ministerliste keine großen Würfe erwarten. Äußeres, Inneres, Finanzen und Wirtschaft bleiben schwarz, und auch das Justizministerium, das Maria Berger, SPÖ, zuletzt erfolgreich geleitet hatte, wurde im Tausch für das Gesundheitsressort an die ÖVP abgetreten. Damit zeigt Faymann, wie wenig gesellschaftspolitische Ambitionen er hat.

Größte personalpolitische Überraschung ist ebenfalls das Justizministerium: ÖVP-Chef Pröll hat bei der Richterin Claudia Bandion-Ortner angefragt. Die 47jährige Expertin für Wirtschaftskriminalität hatte zuletzt den Prozess wegen Verspekulierens von Milliardensummern gegen die Chefs der ehemaligen Gewerkschaftsbank Bawag souverän geführt.

Bis Sonntag war der SPÖ-Schwenk zugunsten einer Volksabstimmung im Falle künftiger EU-Verträge der größte Konfliktpunkt. Damit hatte die ÖVP im Juli den Koalitionsausstieg begründet. Man einigte sich auf die für die ÖVP günstige Formulierung, dass man einander in dieser Frage nicht überstimmen werde. Der noch amtierenden Außenministerin Ursula Plassnik war das zu wenig. Sie fordert ein vorbehaltloses Bekenntnis zur Brüsseler Politik - alles andere schade dem internationalen Standing Österreichs. Deswegen will sie nicht weitermachen. An ihre Stelle tritt der bisherige Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger, der auch außenpolitischer Sprecher der ÖVP ist. Mit Plassniks Abgang ist die Ablösung der Riege aus der Ära Wolfgang Schüssels komplett. Denn auch der bisherige Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer geht.

Das Finanzministerium übernimmt erwartungsgemäß Vizekanzler Pröll selbst. Soziales und Wirtschaft werden in altbewährter Manier wieder von den Sozialpartnern aus Gewerkschaftsbundchef und Wirtschaftskammerpräsident verwaltet. Die neue Regierung wird voraussichtlich nächste Woche vereidigt - nach dem ÖVP-Parteitag am Freitag, bei dem Josef Pröll sich der Wahl zum Parteiobmann stellen muss.

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