Wirtschaft in Ghana: Öl vor Küste, Koks im Transit

Ein erwarteter Ölboom und ein starker Zufluss von Drogengeldern halten Ghanas Wirtschaftsaufschwung am Laufen. Das beeinflusst auch Politik und staatliche Institutionen.

Eine der Quellen des ghanaischen Wirtschaftswunders: Ölraffinerie bei Accra. : reuters

ACCRA taz Während Julius in seinem gelben, verbeulten Taxi durch den Stau auf der Liberation Avenue schleicht, einer der Magistralen von Accra, bekommt er vor Staunen den Mund gar nicht mehr zu. "Dort wird ein neues Bankenhochhaus gebaut, dort ein Fünf-Sterne-Hotel, hier drüben noch ein Hochhaus, wofür genau, weiß man noch nicht." In Ghanas Hauptstadt ist ein Boom ausgebrochen. Der Grund: Vor der Küste liegt eines der größten Ölfelder Afrikas mit mindestens einer, vielleicht sogar bis zu drei Milliarden Barrel Öl. Ab 2010 wird es gefördert werden.

Schon jetzt sind die Preise für Grundstücke in Accra und dem Umland stark gestiegen. Eine Immobilie in Afrikas kommender Ölnation gilt als gute Investition. Indische und chinesische Bautrupps haben für 50 Millionen US-Dollar einen monströsen neuen Präsidentenpalast fertiggestellt. Dass der Staat eigentlich pleite ist, spielt keine Rolle. Gerade hat Ghana 750 Millionen Dollar Staatsanleihe aufgenommen. Kreditgeber rechnen damit, dass Petrodollars alle Schulden begleichen werden.

Nicht alle sind so optimistisch. Kwesi Aning, der am Kofi Annan International Peacekeeping Traning Centre die Forschungsabteilung leitet, glaubt, dass der erwartete Ölsegen zu einer Spaltung der Gesellschaft führen könne: "Jugendbanden drohen der künftigen Regierung schon jetzt mit Unruhen, sollten sie nicht genug abbekommen."

Auch andere stellen bereits Forderungen: Stammeschefs und traditionelle Könige, die in Ghana eine wichtige Rolle spielen, haben Präsident John Kufuor mitgeteilt, dass sie mindestens ein Zehntel der Gewinne aus dem Öl wollen. Fischer verlangen Entschädigungen, weil sie nahe der Ölbohranlagen nicht fischen sollen. Der wenig aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat Paa Kwesi Nduom forderte Neuverhandlungen mit den Ölkonzernen, "weil die Bedingungen zu schlecht sind". Er muss es wissen: Als Kufuors Energieminister hat Nduom die streng geheimen Verträge ausgehandelt.

Öl ist nicht das einzige Geschäft, aus dem sich Ghanas Wirtschaftswunder speist. Auf vielen der Baustellen wird vor allem Schwarzgeld aus dem Drogenhandel gewaschen. In den vergangenen Jahren ist Ghana zum wichtigsten Drehkreuz der Region für Drogentransit aus Lateinamerika Richtung Europa aufgestiegen. "Das Drogengeld hat längst alle staatlichen Institutionen durchdrungen", sagt der Politologe Aning. "Zoll, Polizei, Justiz und Politik: Die sind alle in das lukrative Drogengeschäft verstrickt."

Ganze Dörfer profitieren davon. Als Eric Amoateng, Abgeordneter der Regierungspartei, in New York verhaftet wurde, weil er Heroin im Wert von sechs Millionen Dollar in die USA schmuggeln wollte, war der Protest in seinem Wahlkreis groß: Amoateng gebe Armen zinslose Darlehen und bezahle hundert jungen Leuten ein Studium. Auch seine Partei weigerte sich, Amoatengs Mandat ruhen zu lassen, obwohl er auf frischer Tat ertappt worden war.

Es sind kolumbianische Kartelle, die Westafrika als neue Route auf dem Weg nach Europa entdeckt haben. Sie heuern Ghanaer als Helfer an, um beim Transport der großen Mengen Kokain zu helfen. Bezahlt werden die Helfer in Naturalien. Die Drogen werden dann in einem zweiten Kreislauf nach Europa geschickt: "Dazu braucht man Boten, die die Drogen verschlucken oder anders verstecken", weiß ein Zöllner auf Accras Flughafen Kotoka. Seinen Namen darf er nicht nennen. Einige seiner direkten Vorgesetzten, da ist er sicher, sind in das Geschäft verwickelt. "Wer quatscht, muss dran glauben."

Wenn nichts geschieht, so glaubt Antonio Mazzitelli, der für das UN-Büro für Drogen und Kriminalität das Geschehen in Westafrika beobachtet, könnten schon in wenigen Jahren schlimmere Verhältnisse als derzeit in Mexiko herrschen. "In Westafrika fehlen grundlegende staatliche Strukturen, um die Drogenmafia zu bekämpfen", meint Mazzitelli. "Eine Million reicht für einen Putsch, und für ein bisschen mehr kann man eine Wahl kaufen."

MARC ENGELHARDT

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