Vierschanzentournee: Der nächste Schritt
Der Österreicher Wolfgang Loitzl gewinnt das Neujahrsspringen und führt nun die Tourneewertung an. Martin Schmitt springt wieder einmal nur gut und wird Achter.
Wolfgang Loitzl hat lange warten müssen. Knapp 29 Jahre alt ist er, er war ein Mitläufer in einem österreichischen Team, das regelmäßig junge Wunderkinder produzierte. Loitzl stand dabei immer in der zweiten Reihe. Der nette junge Mann aus Bad Mitterndorf in der Steiermark. Dem die Abgezocktheit eines Thomas Morgenstern oder eines Gregor Schlierenzauer fehlte. Der ein guter Teamplayer war und bei Mannschaftsentscheidungen immer wertvolle Punkte lieferte. Aber der nie gewann. Bis zum Neujahrstag 2009.
Loitzl ist der große Sieger des prestigeträchtigen Neujahrsskispringens von Garmisch-Partenkirchen. Er hat den zweitplatzierten Simon Ammann geschlagen, der den Oberstdorfer Tourneeauftakt und zuvor schon vier Weltcupspringen gewonnen hatte. Und er hat die Wunderkinder Morgenstern und Schlierenzauer deutlich distanziert. Sie sind ihm alle in die Arme gefallen, als sein Sieg feststand - und man merkte: Sie haben sich ehrlich für den Ältesten im Team gefreut.
Loitzl war in Oberstdorf nur knapp von Ammann geschlagen worden. "Er merkt, dass er fällig ist für den ersten Sieg", hat der österreichische Skisprung-Direktor Toni Innauer da gesagt. "Der Wolfi hat den Sieg nur aufgeschoben", hatte Trainer Alexander Pointner prognostiziert. Und darf sich jetzt ein bisschen als Wahrsager fühlen. Aber er wusste ja um die Qualitäten des ruhigen und zurückhaltenden Loitzl. Der Athlet gilt als einer der perfektesten Ästheten der Lüfte. Seine Sprünge sind ein Augenschmaus für die kritischen Punktrichter. In Garmisch-Partenkirchen kassierte er viermal die Höchstnote 20. Es war nicht das erste Mal, dass er so gut bewertet wurde.
"Es war wohl diese Konstanz, die mich immer im Team hielt", erinnert sich Loitzl an die Zeiten, in denen es weniger gut lief, aber er trotz der Medaillen- und Erfolgsflut seiner Teamkollegen stets dabeibleiben durfte im Weltcup. Nur im Sommer, da trainiert Loitzl, Vater zweier Kinder, lieber beim B-Kader. Wenn ihm die Jungen um die Ohren springen, sagt er, setze ihn das unnötig unter Druck. Ein außergewöhnlicher Weg, der sich nun gelohnt hat. Nach dem ersten Durchgang hatte Ammann noch geführt, Loitzl war Zweiter. Doch im Finale kehrte er dieses Ranking einfach um mit seinem wunderschönen Sprung.
Für Martin Schmitt wird es unterdessen langsam zu einem Ärgernis, dass ein Weltcupskispringen gewöhnlich aus zwei Durchgängen besteht. Schon beim Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf verschenkte Schmitt mit einem schwächeren Finalsprung eine bessere Platzierung als Rang fünf. Und nun, am Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen? Da war die Diskrepanz zwischen glänzendem ersten Sprung und verpatztem Finalsprung noch größer. Nach Rang drei zur Halbzeit ist er schließlich Achter geworden.
Das wäre im Vorwinter noch ein respektables Ergebnis gewesen, bei dem man sagen hätte können: Jawohl, der Schmitt ist ja doch noch nicht weg vom Fenster. Aber in dieser Saison will Schmitt mehr. Nach mehreren Rängen unter den besten zehn scheint ein Platz auf dem Podest die logische Folge. Die Ansprüche sind gestiegen - und er hat sie nicht erfüllt. Er musste sich erst ein paar Minuten sammeln nach dem Finale, er saß mit Physiotherapeutin Caroline Otterbein auf einer Bank und betrachtete den Jubel der Österreicher.
Keinen großen Fehler habe Schmitt begangen, sagte Cheftrainer Werner Schuster. "Aber es geht halt verdammt eng zu." Eine kleine Unachtsamkeit kegelt ihn schon aus der Weltspitze. "Er hat wieder die Top Ten erreicht, er hat sich stabilisiert", ergänzte Schuster noch, um nicht den Eindruck von Depression aufkommen zu lassen. "Grundsätzlich kann ich schon zufrieden sein, wie es jetzt läuft", sagte Schmitt. Aber natürlich: Er wolle jetzt mehr, "ich will den nächsten Schritt tun". Es gehört jedoch auch Geduld dazu im hochsensiblen Schanzensport. Wolfgang Loitzl kann davon erzählen.
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