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Aus keinem gegebenen AnlassVerleger in die Fresse!

Wenn Verleger Vaterrollen einnehmen wie hierzulande, dann gibt es auch Kinderrollen - in Deutschland werden sie allzu oft von den Schriftstellerinnen und Schriftstellern übernommen.

Bei all dem bescheidenen Ruhm, der Rolf Dieter Brinkmanns Ausspruch "Lektoren in die Fresse!" zuteil wurde, lag so manchem schnell die Abwandlung "Autoren in die Fresse!" auf der Hand. Verleger hingegen wurden stets verschont. Was haben wir nicht Verlegermythen in der deutschen Verlagsgeschichte, von Samuel Fischer zu Ernst Rowohlt über Peter Suhrkamp und Siegfried Unseld, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Sie alle waren ehrenwerte Herren, denen die deutsche Literatur mehr als verpflichtet ist.

Die Identität des Verlegers hierzulande ist schwer zu greifen. Dabei wirkt sie auf den ersten Blick sehr handfest. Große, breitschultrige Herren, gern mit exponierten Tränensäcken, um die Traurigkeit ihrer zarten Unternehmerseelen zu unterstreichen. Die Rolle des Verlegers wird gestaltet durch die Art und Weise, wie man Verlegergeschichten erzählt. Selbst der Typ Verlagsmanager von heute zehrt noch von diesem Mythos. In den meisten Verlags- und Literaturgeschichten sind Verleger Gönner, retten verzweifelte Autoren aus der Armut oder seelischen Einsamkeit. Verlage machen Autoren, nicht Bücher, so ein berühmter alter Werbesatz aus dem Hause Suhrkamp, der dieses Phänomen zusammenfasst.

Sätze wie diese etablieren den Gedanken, dass der Autor nicht einfach Autor ist und ein Werk erschafft, sondern von seinem Verlag "gemacht" wird. Klingt zunächst gut und erzählt eine Wahrheit, die nämlich, dass jeder erfolgreiche Autor mindestens einen Menschen im Rücken hat oder hatte, der an ihn und seine Arbeit glaubte. Er verschweigt jedoch eine andere Wahrheit, die nämlich, dass sich die Verlegerfigur hier zu einem Götzen ausbauen ließ, der seine Autoren gern in infantiler Abhängigkeit hält, das fördert schließlich dessen Alkoholismus und somit sein Schreiben. Wie viele Verleger haben in mündlichen oder schriftlichen Überlieferungen ihre erfolgreichen Autoren finanziell unterstützt oder gar gerettet? Wie oft wird erwähnt, dass, wenn ein Verleger anständig bezahlen würde, es keinen Grund dafür gäbe, seinem Schützling finanziell aus der Patsche zu helfen?

Diese erzählte Väterlichkeit hat Folgen: Wo ein Vater, da auch ein Kind. Die Kinderrolle übernehmen Autoren dankbar. Und die Onkels gleich dazu. Die Onkels des deutschen Literaturbetriebs sind die Lektoren. Und ich musste tatsächlich erst wieder auf eine ausländische Autorin und ihre Sicht auf Lektoren treffen, um mir der hierzulande vorherrschenden bewusst zu werden. Nein, der Lektor ist nicht der bessere Autor deines Buches. Und nein, er, schützt dich nicht vor dir selbst, er schützt nur sich und seinen Verlag vor dem deutschen Feuilleton. Sie hatte recht. Alle jungen deutschen Autoren haben ein Liebes- oder zumindest Bedürftigkeitsverhältnis zu ihren Lektoren. Kaum einer besteht darauf, dass es der eigene Name ist, der hinter diesen Worten steckt, und Kritiker sind im Falle ihrer Missgunst selten verlegen um den Rüffel aufs Lektorat.

Das Lektorat kann wunderbare Arbeit machen. Doch es denkt zunehmend in ökonomischen Kategorien, damit meine ich auch zeitlich. Wie viel Zeit kann ich mir nehmen, mich in das Denken eines jungen Autors hineinzuversetzen? Dem Maß an Respekt gegenüber meiner sich formenden Stimme, das mein erster Lektor mir entgegenbrachte, bin ich nicht wieder begegnet. Ein Lektor alter Schule, Zeit spielt nicht so eine große Rolle wie Qualität. Er zeigte mir, dass ein Lektor es nie besser weiß, nur anders. Und wenn der Lektor klug genug ist, dann wird er dem Autor das Gefühl geben, dass er es eigentlich auch anders weiß. Was aber immer noch nicht heißen muss, dass der Onkel sich um das finanzielle Wohlergehen seines Schützlings kümmert, dafür hat der Staat Stipendien eingerichtet.

Es finanzkriselt in Deutschland, und während so mancher sich ängstlich den Dreck unter den Nägeln abkaut, sitzt eine Zunft ungerührt in ihrem Sessel: die "jungen" Nachwuchsliteraten in Deutschland. Wir haben gemeinhin nicht viel zu verlieren. Im Normalfall läuft ein Gespräch über meinen Beruf so an: "Was machen Sie beruflich?" - "Ich schreibe." - "Ach ja, interessant. Und was arbeiten Sie?" Das Schreiben ist hierzulande kein Beruf, und somit wird die Tätigkeit "Schreiben" nicht vergütet. Folgte ich den honorarbefreiten Arbeitsanträgen, die immer wieder in meinem Posteingang landen, käme ich aus dem Verfassen netter Geschichten kaum heraus. Ein Autor verdient zehn Prozent des Verkaufspreises an seinem Buch. Das ist genauso viel, wie Amazon Bloggern aushändigt, die einen Link zu einem ihrer Warenartikel setzen. Darüberhinaus verdient man an einer Zweit- oder Drittauflage in Form von Taschenbüchern fünf Prozent und an Übersetzungen etwas mehr oder weniger.

Jüngst ließ sich das Feuilleton darüber aus, ob man Autoren zur Qualitätssteigerung aushungern müsse oder nicht. Nur zu, sage ich. Wir sind geübt. Mein Kollege Selim Özdogan schreibt in einem Online-Artikel der Zeit davon, dass ihm der Aufbau-Verlag nach seiner Insolvenzmeldung sein Honorar nicht auszahlen konnte, er jedoch auf kein Arbeitslosengeld hoffen darf wie die Verlagsangestellten. Kokett winkt er letztlich ab und endet mit dem alten Lied der Eigenverantwortung: Hat ihn ja keiner darum gebeten, Bücher zu schreiben. Man möchte es sich mit den Verlegern nicht verderben. Unbequeme Autoren sind nur im Grab beliebt.

Denn ein Verleger wünscht, seinen Autor weiterhin zu retten, und nicht, ihm seine Ansprüche zu erfüllen. So habe ich Angebote von Verlegern erhalten, die mir die Welt oder zumindest ihren Verlag zu Füßen legen wollten. Doch als es darum ging, dass sie meine ohnehin viel zu nette Agentin akzeptieren sollten, war die Welt schnell zur Scheibe verflacht. So etwas brauche man nicht, wenn Vertrauen da sei. Verleger hierzulande beschweren sich über die Unverkäuflichkeit deutscher Bücher, dabei zog das Fachmagazin Buchreport für 2008 die Bilanz, dass deutschsprachige Titel auf dem Markt deutlich besser abschneiden als Übersetzungen aus Großbritannien, den USA oder Frankreich. Dennoch investieren Verlage ihre Gelder eher in Übersetzungsrechte, Übersetzer und Werbegelder für ausländische Bücher. Man möchte sich vorstellen, was aus der deutschen Leselandschaft ohne Isabell Allendes "Zorro" geworden wäre. Oder was aus einem kleinen deutschen Autorentaugenichts, wenn man ähnliche Geldsummen in die Werbung für sein Buch gesteckt hätte? Solche Argumente, vor Verlegern angebracht, quittieren sie mit einem müden Schulterzucken: Bestseller seien nicht planbar, Werbung bringe nichts. Deswegen also werben sie nur für ihre Spitzentitel.

Investierte man vergleichbare Werbegelder in deutsche Autoren, bestünde auch für ausländische Verlage eine Richtlinie, auf welche Bücher sie auf dem deutschen Markt setzen können. Verlage wie Eichborn, Berlin Verlag und Luchterhand zeigen, dass es möglich zu sein scheint. Doch wenn ausländische Verleger und Agenten sich auf der Frankfurter Buchmesse umsehen, sehen sie ohnehin eher danach, wie gut ihre eigenen Bücher platziert werden und kaufen nebenher noch die neuen deutschen Shortlists auf. Das wars. Schließlich beteuern die deutschen Buchmacher ja ständig, dass das Zeug nicht mal im eigenen Land zu verkaufen ist. Ausländischen Agenten werden für Übersetzungsrechte Summen zugestanden, an die hierzulande niemand auch nur zu denken wagt. Stattdessen debattieren Feuilletonisten darüber, ob man gesetzliche Autorenförderung abschaffen sollte. Ja, sollte man. Nachdem man Agenten eingeführt hat, die nicht nur Verträge unterzeichnen und behaupten, die Verlage sähen es nicht gern, wenn man sich ins Tagesgeschäft einmische. Man könnte die Dinge auch vertraglich festlegen, bevor das Tagesgeschäft beginnt.

Übersetzer haben ihr Recht eingeklagt, sie sind inzwischen Koautoren von Werken, die sie nicht erdacht haben, auch wenn sie die Übersetzung erschaffen haben. Das ist, trotz allem, ein bemerkenswerter Unterschied, der ihnen vielleicht die Kraft ließ, für ihre Rechte zu kämpfen. Der Übersetzerstreit wurde immerhin gekämpft. Autoren hingegen formulieren sich nicht. Vielleicht sind alle Hellseher und wissen, dass Geld ohnehin vergänglich ist. Der Kampf lohnt sich nicht, scheint es. Wer will schon den geliebten Vater aufbringen, den der Autor so dringlich braucht. Schubladenautor ist schließlich immer noch ein elenderes Schicksal als Ladenhüter. Dabei kommen die meisten Bücher nicht einmal in die Läden.

Die Argumente, die wir schlucken, sind zahllos: Amerikaner haben das Recht auf ganz andere Summen, weil ihr Markt so unerschöpflich ist. Paul Auster zum Beispiel ist in Deutschland und Frankreich jedoch erfolgreicher als zu Hause in den USA. Seine Vorschüsse werden wohl kaum dem deutschen Markt angepasst, sonst säße er auf Bildern nicht vor diesem wunderschönen Häuschen in Brooklyn. Deutsche Leser lieben das Bild des aparten Intellektuellen, der im viktorianischen Haus lebt, mit großbürgerlichen Möbeln und ihm ebenbürtiger Ehefrau. Sie lieben es, solange es aus dem Ausland kommt. Amerikanische Autoren schreiben im Klappentext gern: "Der Autor lebt mit Frau und drei Kindern in Southampton." Hierzulande sorgt folgender Text für Authentizität: "Der Autor arbeitet als Maler, Schreiner und Taxifahrer. Er hat bereits ein Tätowierstudio von innen gesehen."

Statt Vorschüssen gibt es in Deutschland eine lebendige Vorlesekultur. Das gibt es nur in Deutschland in dieser Form, heißt es. Warum nur fahren meine übersetzten Kollegen dann immer wieder ins Ausland, um ihre Bücher zu präsentieren? Und braucht es tatsächlich einen Polen wie Andrzej Stasiuk, der in seinem "Dojczland"-Buch davon erzählt, wie beschissen das sein kann, sich den Wodka in deutschen Kleinstädten den Hals hinunterspülen zu müssen und nicht in seiner Welt hinter Dukla? Mein lieber Gott, pardon, mein lieber Verleger, jetzt nimmt uns der Pole auch noch den Job weg. Wir haben es schon nicht leicht.

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7 Kommentare

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  • S
    saalbert

    Ich muss gestehen: Wenn ich Verlegerin wäre und bekäme einen Text von der Qualität des Kommentars von Tim von Lindenau präsentiert, würde ich dem Autor empfehlen, sich in einer Volkshochschule um eine einigermaßen vertretbare Kenntnis der deutschen Rechtschreibung zu bemühen.

  • P
    pekerst

    Dass Herr Eichborn die Autorin zu einem Autor erklärt, ist sicher "nur" Gedankenlosigkeit, die allerdings häufig für größere Dummheiten verantwortlich ist als Absicht.

     

    Notabene: "Wenn Verleger Vaterrollen einnehmen wie hierzulande, dann gibt es auch Kinderrollen - in Deutschland werden sie allzu oft von den Schriftstellerinnen und Schriftstellern übernommen." Verleger nehmen keine "Vaterrollen" ein, auch wenn sie mehrere oder viele sind, sondern die Vaterrolle. Aber der Plural, der für die Quantität steht, ist im deutschen Journalismus - der Vorspann stammt hoffentlich nicht von der Autorin - beliebter als der Singular, der für die Qualität einer Sache - oder auch einer Rolle - steht.

  • RP
    ruth praktiker

    Dies ist ein mutiges Statement, das bitter Not tut, und die bittere Not der Autoren - wenn schon nicht lindert - dann zumindest zum Thema macht. Ich gratuliere der Autorin zu Ihrer Offenheit, Ihrem Witz, und Ihrer durchdachten Gemeinheit. Herr von Eichborn scheint so einiges nicht oder nicht genau genug zu wissen, was doch eigentlich jeder heini weiß: zunächst einmal handelt es sich beim Urheber des Artikels um eine Frau, und ein Vollprofi wie Herr Eichborn sollte um das Geschlecht einer Person wissen, die letztes Jahr noch beim Bachmann-Preis teilgenommen hat, Bücher bei Suhrkamp und Nagel&Kimche veröffentlicht hat und wiederholt zu den vielversprechendsten Jung-Schriftstellern der Gegenwart gezählt worden ist. Dieser Lapsus wiegt vergleichsweise wenig, wenn man sich ansieht, wie Herr Eichborn auch den Inhalt des Textes missversteht - ich hoffe für seine Autoren, dass ihren Manuskripten mehr Aufmerksamkeit zuteil wird. Marinic stellt deutlich heraus, dass sie an ihren Kollegen einiges auszusetzen hat: deren oft infantiles Verhalten führt im Endeffekt erst zur misslichen Lage der väterlichen Verleger und Agenten. Ein letztes: die von Herrn Eichborn angesprochene Pleite eines Buchprojektes bringt dem Verlag in der Tat keinen Gewinn ein - wie auch dem Autor nicht. Der Unterschied besteht darin, dass dem Verleger immer noch sein Festgehalt und zahlreiche andere Publikationen bleiben, dem Autor aber nichts mehr als ein warmer Händedruck und die Aufforderung, von Luft und Liebe zu leben, während das nächste Manuskript aus der hohlen Hand erstellt werden soll - für den nächsten Versuch!

  • MU
    Matthias Ulmer

    Warum ist die Beziehung Autor-Verleger ein uraltes und immer wieder kehrendes Thema? Jagoda Marinic schreibt ja nicht eine Zeile, die neu wäre.

     

    Autoren leisten Großes und die Umwelt nimmt das einfach nicht wahr.

    Autoren verdienen Anerkennung und bekommen sie nicht.

    Autoren sind die Stars aber Verleger nehmen ihnen die Aufmerksamkeit weg.

    Autoren müssten viel besser bezahlt werden und bekommen nur Brosamen.

    usw.

     

    Nicht ganz in das Schema passt: Verleger folgen dem bösen Kapitalismus statt die inneren Werte zu erkennen. Aber ein kleiner Hieb gegen den Kapitalismus macht sich immer gut.

     

    Das Schema ist doch ganz banal das Vater-Tochter Schema. Eine reine Pubertätsthematik. Manchmal dehn sich die Pubertät über das ganze Leben aus. Das ist bitter.

     

    Erwachsenwerden würde heißen: wenn man mit Schreiben nichts verdient, dann muss man eben was anderes machen. Oder: wenn man trotzdem nichts anderes machen will, dann ist das auch eine gute Entscheidung, eine freie Entscheidung, und dann sollte man auch das Jammern einstellen.

     

    Natürlich ist es nicht so, dass man für einen Beruf bezahlt wird und weil man in Deutschland Schreiben nicht als Beruf akzeptiert, gibt´s dafür nur Almosen. Blödsinn.

     

    Umgekehrt ist es richtig: wenn man für seine Tätigkeit bezahlt wird, dann nennt man das Beruf. Ansonsten ist´s ein Hobby. Das bringen nur Autoren, dass sie fordern bezahlt zu werden, auch wenn niemand das Lesen will, was sie schreiben.

     

    Ach ja, eine typische Klage in dem Zusammenhang: man müsste sich viel mehr wehren...! Aber dafür ist man sich dann wieder zu gut. Im Schriftstellerverband könnte man sich ja engagieren, Lobbyarbeit machen. Aber das ist ja so unkünstlerisch. Das überlässt man Funktionären, was einen aber nicht daran hindert, weiterzuklagen. So gibt es schätzungsweise eine halbe Million Autoren in Deutschland und nur ein Prozent davon sind überhaupt im Verband.

     

    Erwachsenwerden ist eben ein schwieriger Prozess.

  • TV
    Tim von Lindenau

    Zum TAZ – Artikel : Verlger in die Fresse vom 25.01.2009 von der Schriftstellerin Jagoda Marinic

     

    Haut Euch schwer - Tim von Lindenau 26.01.2009

    Der ewige Kampf zwischen Autoren, Lektoren und Verlegern

     

    Woran es liegt, dass der eine Schriftschaffende dem anderen Schriftschaffenden gerne einmal in die Fresse hauen würde, dem geht die Autorin Jagoda Marinic in einem lesenswerten Artikel der TAZ auf die Spur.

    Verleger halten Autoren klein und abhängig, Übersetzer fordern mehr Lohn für die von Ihnen übersetzten Werke, die nicht ihr geistiges Eigentum sind, Lektoren mischen sich in Dinge ein, zu denen sie keinen Bezug haben und eigendlich wird es mal höchste Zeit, das alle miteinander übereinander herfallen und sich so richtig in die Fresse hauen?

    Eigendlich sollte hier ein Aufruf des Friedens folgen, denn wer mal eins auf die Fresse bekommen hat, der weis wie furchtbar weh das tut – doch dann, dann kommen auch in mir gewisse Agressionen zu Tage, wenn ich an die Manuskripte denke, die nach Jahren immernoch unveröffentlicht in einer Schublade liegen, obwohl sich die Besten meiner Werke darunter befinden. Schuld daran sind die Großgeschriebenen Verlagsvorgaben, eben dieser Verleger, die Angst vor neuen Denkansätzen und unkonventionellen Sichtweisen haben. Ebenso Mitschuld tragen natürlich auch diverse Lektoren, obwohl ihnen manch eines meiner unveröffentlichten Bücher sehr gut gefiel, was Sie mit einem Extraschreiben und dem Mut, mein Buch durch verschiedene Konferenzen zu boxen, belohnten. Doch am Ende vieler dieser Verlagszeremonien landete mein tolles Werk dann doch in eben dieser Schublade – trotz des Lobes von Lektoraten und ernstzunehmenden Kritikern.

    Genau an dieser Stelle komme ich zu einem Punkt, den sich auch Jagoda Marinic nicht erklären konnte: Warum in aller Welt lassen sich Autoren das gefallen? Zum einen gibt es natürlich die unzähligen Autoren, die maximal drei Manuskripte in ihrem übersehenen Leben versendeten und nach der fünfundvierzigten Absage Papier Papier sein ließen und sich wieder dem Taxifahren zuwendeten. Zum anderen sind da die Ängste, dass die sensible Verlagswelt dem ein oder anderen Autoren die Kritik übel nehmen könnte – da hält er doch beim Betrachten seines Kontoauszugs lieber den Mund. Und dann kommen wir zum Wichtigsten Punkt. (Hierbei gehen wir mal von Autoren aus, die wirklich das Zeug zur Veröffentlichung mitbringen - wo der Verlag einzig die Schuld an der Nichtveröffentlichung trägt):

     

    Durch seine Kritik an den Verlagen fürchtet der Autor die Publizierung seines größten Problems:

    Er bekommt seine Manuskripte nicht verkauft!

     

    Und das ist ihm peinlich.

    Das ist natürlich ein Problem. Doch keine Schande in einem Geschäft, wo Verleger lieber auf der sicheren Schiene des Profits fahren, anstatt mutig Autoren zu veröffentlichen, die nicht wirklich in das eckige und abgedroschene, jedoch gut vermarktbare Buchhandlungsregal passen.

    Verleger und Lektoren sind oftmals konservative Feiglinge (Ausnahmen bestätigen die Regel) – und Feiglingen haut man ja nicht in die Fresse ...

    Der durch Statistiken gesicherte Umsatz bestimmt den Büchermarkt und nicht die Kreativität und die Erlebnisse und Erfahrungen junger Autoren und Querdenker. Desshalb kann ich nur sagen: Autoren wert Euch! Steht auf und tretet vor die Türen der Verlage und macht denen mal klar, dass sie ohne Eure Geistigen Ergüsse garnichts wären. Zehn Prozent des Ladenpreises sind ein Witz! Wer hat all die Bücher erlebt und durchlitten, gefeiert und bereut? Wer sitzt da – ganze Nächte und dunkle Stunden mit der Vorahnung, das irgend so ein dahergelaufener Lektor, der vielleicht garnicht objektiv über den geistigen Wert des Manuskripts entscheiden kann, das alles vernichtende Urteil fällt?

     

    Und dann sind da auch noch jene Autoren, die ein interlektuelles Hausfrauen Dasein beschreiben und sich mit kleinkarierten Kravattenmustern schmücken, belanglose Gedankengänge auskotzten und sich auf den Bühnen der Literatur-Talkshows bis in alle Ewigkeiten vor Leuten blamieren, die leider keiner nach ihrer Meinung fragt. Jedes Jahr zur Frankfuter Buchmesse biegen sich mir die Zehennägel um dreihundertsechzig Grad, wenn sie mal wieder ans Tageslicht treten. Die Art von Autoren, die es merkwürdigerweise immerwieder schaffen, Verleger und Lektoren zu bezirtzen, obwohl sie besser einen anderen Beruf egriffen hätten. Aber so ist das. Viele Meinungen, viele Bücher, viele Gewinner und Verlierer, und ein Haufen Idealisten, die irgendwo dazwischenklemmen und nicht gefragt werden. Seihs drum – wenn's Euch hilft dann: Haut euch schwer ...

  • AS
    Axel Schulz

    danke liebe taz für diese junge mutige stimme!!!

  • VV
    Vito von Eichborn

    Tja,

    auf offensichtlichen Kokolores sollte man eigentlich nicht reagieren. Aber diese gebündelten Vorurteile und Klischees reizen mich nun doch mal, einfach der Reihe nach am Text dieses naiven Jungautors ...

    Verlegermythen - gibt es nicht ein (richtigerweise) Vielfaches an Autorenmythen? Und wer macht die? Doch wohl nicht die Verleger oder Autoren, sondern eine lesende Öffentlichkeit.

    Und, nein, Autoren werden nicht vom Verlag "gemacht". Das ist Quatsch. Ein Verlag, der das behauptet, wäre nicht seriös.

    Richtig ist, daß der Verlag aus dem Inhalt eine Ware macht - und die Verkäuflichkeit dieser Ware einschätzen muß: bei Handel, Medien, Käufern. Danach richtet sich der Werbeetat.

    Bei Autoren, die sich "in infantiler Abhängigkeit" halten lassen, dürfte der, das stimmt, wohl nicht sonderlich stattlich sein. Autoren ohne Sicherheit in dem, was sie schreiben, und ohne Selbstbewußtsein sind selten die erfolgreichen. Und Autoren können - siehe Härtling, Grass, Walser und Moers und tutti quanti - den Verlag wechseln. Ja, auch die zahlreichen Unbekannten - man schaue mal in die Vita der Veröffentlichungen.

    Jeder Heini weiß, wie Bücher kalkuliert werden - vonwegen "anständig bezahlen". Spitzenautoren kosten mehr. Das gilt auch für Kartoffeln, Autos und Rennpferde. Sie alle haben bewiesen, daß sie mehr wert sind. Sowas heißt dummerweise Kapitalismus, wir haben nix anderes.

    Mir ist noch nie ein Autor in einer Kinderrolle begegnet. Lektoren sind Berater. Sonst nix. Und wenn sie zunehmend in ökonomischen Kategorien denken müssen, so mag dies bedauerlich sein - den Verdrängungswettbewerb der Verlage und Autoren (siehe: Kapitalismus) haben sie nicht erfunden.

    Das "finanzielle Wohlergehen" des Autors denkt sich nicht der Lektor aus, sondern die verkaufte Stückzahl seiner Produkte. Verlage, die höhere Vorschüsse zahlen, als sie Bücher verkaufen, gehen pleite. Und daß Vertreter mehr verdienen als Lektoren beweist lediglich, daß es weniger gute Verkäufer gibt als Intellektuelle.

    Die Banalität, daß bei einer Pleite zunächst gar niemand was kriegt, ist bei unserem Jungautor noch nicht angekommen. Und dann kommt er mit dem offensichtlich unausrottbaren Klischee, daß die Verlage für die Amis mehr bezahlen und mehr werben.

    Ein für allemal: Das ist Stuß.

    Schon Mitte der 70er, als ich kleiner Fischer-Lektor war, wurden wir alle dazu angehalten, mehr deutschsprachige Autoren zu suchen. Die Statistik des Holtzbrinck-Konzerns bewies, auch für Rowohlt etc., daß der Deckungsbeitrag bei ihnen höher ist.

    Dummerweise änderte das nichts, denn es gibt einen einzigen Maßstab, s. o., für Vorschüsse und Werbeetats: die Einschätzung der Verkäuflichkeit. Das der Verlag damit schief liegen kann - aber klar. Ich kann ein Lied davon singen.

    Aber immer mal wieder, wenn mein ökonomischer Sachverstand ausgeschaltet wurde, weil ich mich in ein Buch verliebt hatte - wurde mehr Geld für Werbung ausgegeben - und mehr Geld versenkt.

    Ja, Spitzentitelwerbung ist das A und O - egal aus welcher Sprache das Buch stammt -, weil der Etat von den zu erwartenden Stückzahlen abhängt. 8 % von 3000 Exemplaren bezahlen grade mal die Vorschauseite.

    Also ganz klipp und klar und ein- für allemal: Der Erfolg hängt zu allererst vom Text ab. Der Verlag kann nichts tun, als sich mehr oder weniger gekonnt um den Transport dieses Textes zu bemühen.

    Wie kommt es wohl, daß so viele Verlage mit dem Rücken an der Wand stehen?

    Da geht es ihnen wie vielen Autoren. Für beide ist der Markt unerbittlich - und das sind die Leser. Die lernen einfach nicht, daß sie kaufen sollen, was unser Jungautor möchte, sondern selbst entscheiden.

    Es winkt

    Vito von Eichborn