Neuer Präsident gewählt: Somalias Islamisten sind zurück

Das Übergangsparlament bestimmt den einstigen Führer der "Union Islamischer Gerichtshöfe", Sheikh Sharif Ahmed, zum neuen Präsidenten.

Freudenfeiern nach der Vereidigung: somalische Frauen in Mogadischu. : reuters

Der einstige Führer der Islamisten in Somalia, Sheikh Sharif Ahmed, ist der neue Präsident des Landes. Das somalische Übergangsparlament bestimmte ihn in der dritten Runde einer Marathonwahl in der Nacht zum Samstag im Exil in Dschibuti zum Nachfolger des zurückgetretenen Abdullahi Yusuf. Bereits am Samstag ließ der 44-jährige Ahmed sich als Staatsoberhaupt vereidigen, und am Wochenende gab es Freudenfeiern in der kriegszerstörten somalischen Hauptstadt Mogadischu. Während in anderen Ländern bei solchen Anlässen Gewehrsalven abgegeben werden, feierte Mogadischu den neuen Präsidenten mit Boden-Luft-Raketen.

Aus Sicht der Einwohner Mogadischus ist die Freude verständlich, denn Sheikh Sharif Ahmed war der letzte Friedensbringer der Stadt. Mitte 2006 eroberte er Mogadischu an der Spitze der "Union Islamischer Gerichtshöfe" (UIC), einer Allianz bewaffneter Islamisten mit somalischen Geschäftsleuten. Die UIC-Herrschaft brachte der Zwei-Millionen-Stadt erstmals seit dem Sturz von Militärdiktator Siad Barre 1991 sechs Monate Stabilität und Normalität. Clanmilizen wurden entmachtet, fünfzehn Jahre Staatslosigkeit und Milizenterror schienen zu Ende zu gehen. Aber international wurde die UIC-Regierung als Vorposten eines militanten Islamismus geächtet, und Ende 2006 marschierte unter internationalem Beifall Äthiopien in Somalia ein, vertrieb die Islamisten und installierte eine zuvor im Exil gebildete Übergangsregierung unter dem Warlord Abdullahi Yusuf.

Darauf folgte ein so katastrophaler neuer Bürgerkrieg mit Zehntausenden Toten, Hunderttausenden Flüchtlingen und der Zerstörung vieler Viertel Mogadischus, dass Yusuf schließlich zum Rücktritt gezwungen wurde und Äthiopien seine Armee nun nach Hause holt. Und jetzt darf Sharif Ahmed das Chaos beseitigen, das es ohne seinen Sturz gar nicht erst gegeben hätte - weltweit nicht mehr verfemt, sondern als moderate Kraft und Versöhner begrüßt. In einer Rede nach seiner Amtseinführung versprach Sharif Ahmed "Taten", um "die internationale Sorge um Piraterie und die "Verfälschung des Islam" anzugehen.

Allerdings ist die Ausgangsposition des neuen Präsidenten schwierig. Die Islamisten haben sich längst gespalten - aus der UIC wurde einerseits eine im eritreischen Exil agierende "Allianz zur Wiederbefreiung Somalias" (ARS) zusammen mit anderen Gegnern der äthiopischen Besatzung, andererseits eine im somalischen Untergrund kämpfende militante islamistische Jugendmiliz namens Shabaab. Letztere beherrscht weite Teile Südsomalias. Die ARS zerfiel derweil weiter. Ein Teil näherte sich den Shabaab-Milizen an, ein anderer ließ sich unter Führung Sharif Ahmeds in Dschibuti nieder und nahm Friedensgespräche mit den neuen Machthabern in Mogadischu auf. Dieser Teil hat sich nun durchgesetzt.

Die territoriale und politische Reichweite der neuen Regierung hält sich in sehr engen Grenzen. Die militanten Shabaab-Milizen haben bereits gesagt, sie würden weiterkämpfen. Die nordostsomalische Region Puntland, Heimat des bisherigen Präsidenten Yusuf und Hochburg der somalischen Piraten, hat den neuen Präsidenten bereits als "illegitim" abgelehnt. Der Norden Somalias bildet ohnehin weiter als Republik Somaliland einen eigenen Staat.

Sharif Ahmeds Wahl in Dschibuti war für somalische Verhältnisse relativ kontrovers. Er setzte sich erst im dritten Wahlgang durch, mit 293 von 425 Stimmen. In einem ersten Interview nach seiner Wahl streckte der neue Präsident Fühler in alle Richtungen aus. "Wir sind eine moderate Partei und haben mit Fundamentalisten nichts zu tun", sagte er einer saudischen Zeitung. Er werde das islamische Scharia-Recht einführen, aber "die Einführung einer islamischen Regierung ist nicht nötig". Gefragt, ob seine Politik jetzt aus einem "Vergessen wir, was geschehen ist", bestünde, antwortete er: "Ja, ich glaube, dass dies im Moment angemessen ist, weil wir keine Spannungen oder Konflikte mit unseren Nachbarn wollen. Wir sind gegen niemanden und wir werden uns an niemandem rächen."

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