Kommentar Italien: Die einseitige Abrüstung ist gescheitert

Die Selbstdemontage der italienischen Opposition trägt dazu bei, das Land in eine De-Facto-Autokratie zu verwandeln. Sie braucht vor allem eine neue Politik.

Was für ein harter Tag für Silvio Berlusconi. Da verurteilt ein Gericht seinen Anwalt David Mills, weil er Bestechungsgelder von einem gewissen "Mr. B." erhalten haben soll,und Berlusconi selbst kommt nur davon, weil er sich eigens ein Immunitätsgesetz maßschneidern ließ. Der Mailänder Urteilsspruch ist ein Verdikt, das üblicherweise in Demokratien für einen Rücktritt ausreicht.

Statt dessen schmeißt am Montag aber nicht Berlusconi, sondern sein Widersacher, des Oppositionsführers Walter Veltroni, die Brocken hin. So katastrophal ist es um Italiens politische Kultur mittlerweile bestellt: In einem "normalen" Land stünde der Regierungschef am moralischen Pranger, triebe ihn die Opposition vor sich her - in Italien aber darf sich Berlusconi entspannt zurücklehnen und der Selbstdemontage der Opposition zuschauen, die das ihre dazu beiträgt, das Land in eine De-Facto-Autokratie zu verwandeln.

Veltroni trägt an dieser Entwicklung gewiss nicht die Alleinschuld; ein kräftiges Maß Verantwortung muss er sich aber zuschreiben lassen. "Mehrheitsfähigkeit" hieß sein Leitstern - und um die zu erreichen, durfte der neue, von ihm geführte Partito Democratico (PD), nicht einmal mehr gemäßigt links sein, sondern bloß noch gemäßigt. Als Stimme der Benachteiligten in Italiens Gesellschaft war der PD kaum noch auszumachen, und gemäßigt war sie auch im Ton: "Anti-Berlusconismus" hält Veltroni für ein großes Übel. Statt auf die verwerfliche "Dämonisierung des Gegners" zu setzen, spielte er im Wahlkampf letztes Jahr lieber "demokratische Normalität" vor - als ob es die in Italien gäbe. Softe Töne, so meint der jetzt Gescheiterte, seien der einzige Weg, um das scheue Reh der "Mitte-Wähler" nach links zu ziehen. Sie trugen dazu bei, die Anomalie Berlusconi noch weiter zum italienischen Normalfall umzudefinieren.

Italiens Linke hat völlig abgerüstet - doch es war eine einseitige Abrüstung. Diese Opposition ist über die Krise schon hinaus: sie ist ins Koma gefallen. Für ihre Wiederbelebung bedarf es nicht nur neuer Gesichter, sondern vor allem einer radikal neuen Politik.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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