Kolumne: Affenliebe zu fünf Goldfischen

Goldfische haben's schwer. Besonders im Winter. Auch Fische können nämlich unter Depressionen leiden. Hauptsache, ihre Besitzer stecken sich nicht an.

Bild: Reuters, Bobby Yip

Wer auf die Idee mit den Fischen gekommen ist, lässt sich nicht mehr sagen. Plötzlich jedenfalls schwammen in einer schwarzen Betonmischwanne - 80 Liter Wasser fasst sie - drei Goldfische. Damit fing das Ungemach an. Denn wenn es um Goldfische geht, sind alle Experten. "Viel zu klein, die Wanne", sagten die einen. "Was macht ihr im Winter?", fragten die anderen. Wieder andere sagen nur: "Wie niedlich, vor allem der mit dem blauen Schwanz."

Die Leute hatten gut reden. Noch war ja Sommer im Schrebergarten meiner Freundin. Und zu den Goldfischen gesellten sich die Frösche. Diese Geschichte wird allerdings erzählt, weil Winter ist. Der zweite Winter der Goldfische. Den ersten verbrachten sie in der schwarzen Betonmischwanne neben meinem Bett. Wollte ich sie füttern, fraßen sie nicht. Ich glaube, sie hatten Depressionen. "Kein Wunder", sagten Experten, "das Becken ist viel zu klein." Dieselben Experten brachten eines Nachmittags noch zwei Goldfische dazu. "Notlage", sagten sie. Und zur Entlastung ihres Gewissens hatten sie einen Sprudelstein im Gepäck. "Du musst Sauerstoff ins Wasser pumpen. Das ist doch Tierquälerei." Ich antwortete: "Weißt du, wie schlecht man schläft neben Goldfischen mit Depressionen?"

Bald allerdings kam der Frühling. Nach dem Umzug der Fische vom Schlafzimmer in den Garten wurden sie wieder munter. Inbrünstig hoffte ich, dass der Reiher, der die Schrebergartenkolonie als Jagdgrund entdeckt hat, die Betonmischwanne im Garten meiner Freundin erspähen und das Problem lösen würde. Als aber im August immer noch alle fünfe da waren, dazu Frösche ohne Ende, nahm eine große Frage stärkere Umrisse an: Wohin damit im nächsten Winter?

Eines Herbsttages sah ich im Baumarkt eine riesige Regentonne. 500 Liter. Durchmesser ein Meter, 80 Zentimeter hoch. "Friert die durch bis auf den Boden, wenn man sie eingräbt?", fragte ich alle, die sich bisher als Experten ausgegeben hatten. Keiner hatte eine Ahnung, wohl aber hatte jeder eine Meinung. "Frostgrenze 80 Zentimeter!", sagten die einen kategorisch. "Nee, das Eis wird doch höchstens 30 Zentimeter dick", die anderen. "Bei unseren Wintern passiert jar nüscht", die dritten. "Sorry, aber das Eis lässt die Tonne platzen", meinten die Vierten. "Wirf einen Ast rein, dann friert es nicht zu", die Fünften.

Ich hab es dann einfach gemacht. Hab die Tonne eingebuddelt. Die Fische schienen sich auch wohlzufühlen in ihrem neuen Domizil. Einen Ast hab ich zudem reingeworfen. Genützt hat es nichts. Denn bekanntermaßen wurde es nach Neujahr kalt. Ziemlich kalt. Die Wanne fror zu. "Wie gehts wohl den Fischen?", fragte ich meine Freundin. "Tiefgefroren, wa?", fragte sie zurück. Und dann die Experten wieder: "Von denen wirste nicht mehr viel haben." Am hartnäckigsten war der Vater meiner Freundin: "Niemals friert das durch, aber die Fische brauchen Sauerstoff." Ich solle mit dem Bohrer ein Loch ins Eis bohren. Die Fische würdens schon finden zum Atmen. Er hörte gar nicht mehr auf. Was er nicht weiß: Ich hasse Bohrer. "Aber Sauerstoff muss rein", insistierte er. Der Mann ist Berliner und hat ein Aquarium zu Hause. Ich kapitulierte.

Seit Wochen konnte man mich nun sonntags im Schrebergarten sehen, bewaffnet mit einem Tauchsieder. Mit dem schmolz ich ein Loch ins drei Handbreit tiefe Eis. Damit die Fische atmen können. Manchmal winkte ich ihnen zu in der Hoffnung, dass sie mich sehen. Danach steckte ich den Sprudelstein ins Eisloch und lief ne Runde um die Gärten.

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