Grüne wählen Landesvorstand: Die Grünen haben zweimal die Wahl

Beim Landesparteitag der Grünen ist die Wiederwahl des bisherigen Vorstands keineswegs Formsache. Zwar präsentiert sich Gegenkandidat Florian Peschelt als Außenseiter. Doch Marion Hasper gilt als nicht chancenlos.

Irgendein Grünen-Mitarbeiter wird am Samstag noch mal nachschauen, ob im großen Saal an der Jerusalemkirche nicht doch ein Kreuz hängt. Denn vor ein paar Jahren hatte ein solches Kruzifix und der Antrag, es abzuhängen, einen Landesparteitag fast scheitern lassen. Und heute gibt es auch ohne Kreuz genug zu diskutieren. Neuwahlen stehen an, und beide Vorsitzende haben Gegenkandidaten. Zwar deutet sich an, dass sich das Führungsduo behauptet. Landeschefin Irmgard Franke-Dressler aber ist sich nicht so sicher: "Bei den Grünen ist immer alles möglich."

Ihre Herausforderin Marion Hasper (45) bis vor kurzem Kreischefin in Tempelhof-Schöneberg, hat zwar keine große Hausmacht hinter sich. Sie kann aber offenbar auf die Stimmen des mitgliederstärksten Grünen-Kreisverbands Friedrichshain-Kreuzberg bauen. Franke-Dressler (62) gilt als pragmatische Realpolitikerin. 2006 organisierte sie in Steglitz-Zehlendorf das erste schwarz-grüne Bündnis auf Bezirksebene. Allein das macht sie zum natürlichen Feind der traditionell linken Kreuzberger.

Insbesondere kam dort gar nicht gut an, dass Franke-Dressler 2008 dem geschassten CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger die Grünen als neue politische Heimat anbot. Zur Kritik gehört auch angeblich unzureichende öffentliche Präsenz. Das aber musste sich bisher fast jeder Landesvorstand anhören. Zudem finden sich auch Stimmen, die das aktuelle Führungsduo für die Kampagne beim Tempel- hof-Volksentscheid loben. Doch über alle Flügel hinweg ist Unmut über handwerkliche Fehler zu hören. Viele machen Franke-Dressler und ihren Chef-Kollegen Stefan Gelbhaar verantwortlich für die Panne bei der Wahl der grünen Bundestagskandidaten. Die musste wegen eines Zählfehlers wiederholt werden.

In diese Richtung zielte Haspers einzige offene Kritik bei einer ansonsten sehr zahmen Kandidatenrunde am Mittwochabend. "Ich möchte in der Landesgeschäftsstelle etwas professioneller an die Wahlkämpfe herangehen", war das Offensivste, was von ihr zu hören war.

Auch in ihrer schriftlichen Bewerbung verzichtet Hasper auf direkte Attacken auf den aktuellen Vorstand. Lieber verweist sie auf ihren Erfahrung als Projektmanagerin und Geschäftsführerin einer Umwelttechnikfirma. Das Umweltthema will sie auch als Landeschefin stärker betonen. Sie gilt zwar als Kandidatin des linken Flügels, will sich aber selbst nicht festlegen. "Ich bin grün", sagte Hasper der taz, "in dieses Rechts-links-Gerangel lasse ich mich nicht einpressen."

Im Duell um den zweiten Chefposten scheint der Ausgang klarer. Florian Peschelt (28), Sprecher im mit nur 64 Mitgliedern kleinsten Kreisverband Marzahn-Hellersdorf, tritt selbst als Außenseiter und "bewusst untypischer Kandidat" auf. Kreativer, bunter müssten die Grünen sein, fordert Peschelt. Er gibt den Querdenker, der der Partei schlüssige Lösungsansätze abspricht, ihr Belanglosigkeit vorwirft. Im Wahlprogramm zu viel Wirtschaft sieht. "Der ist erst gerade in Marzahn nach vorn gekommen und will sich auf Landesebene bekannt machen", ist eine wiederholt zu hörende Einschätzung über ihn.

Gelbhaar und Franke-Dressler könnten von der Europa- und der Bundestagwahl in diesem Jahr profitieren. Zwar sind Abstimmungen bei den Grünen oft unberechenbar. Manchmal ist eine gute Rede entscheidend. Doch auch die Grünen kennen eine Regel, an die selbst Kritiker erinnern: "In einem Wahljahr wechselt man die Pferde eigentlich nicht." Stefan Alberti

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