Listenaufstellung zur Europawahl: Bei Kommunisten entscheidet das ZK
Die Aufstellung der Listen zur Europawahl ist in den Ländern recht unterschiedlich. Da wäre Harmonisierung sinnvoll.
BRÜSSEL taz Der Europawahlkampf 2009 hat noch nicht richtig begonnen. Dennoch denken manche Abgeordnete schon darüber nach, wie man 2014 alles besser machen kann. Der Vorsitzende des Verfassungsausschusses im Parlament, der deutsche Sozialdemokrat Jo Leinen, hat die Kandidatenkür in den Mitgliedsstaaten untersuchen lassen. Ergebnis: Es gibt ein Nord-Süd-Gefälle, was Transparenz und Teilhabe der Basis angeht. Die europäischen Parteien haben in keinem Mitgliedsland Einfluss auf die Kandidatenaufstellung.
Griechenland schneidet in Sachen innerparteiliche Demokratie besonders schlecht ab. Bei der Nea Dimocratia entscheidet der Vorsitzende persönlich über die Listenplätze für die Europawahl. Bei der Pasok können die Parteimitglieder in Vorwahlen die Zusammensetzung der Liste beeinflussen. Bei den Kommunisten entscheidet das Zentralkomitee, nachdem es sich vor Ort über den Kandidaten informiert hat. Wie in Deutschland kann in Griechenland der Wähler eine Liste nur als Paket kaufen. In anderen Ländern wie Österreich, Belgien, Dänemark oder Tschechien hingegen kann er die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste verändern. In Schweden ist es sogar möglich, Namen aus der Liste einer anderen Partei in die favorisierte Liste zu übernehmen oder Namen zu streichen. Fünf der acht Parteien, die in Schweden antreten, führen innerparteiliche Vorwahlen durch, nur bei den Grünen sind sie bindend.
Jo Leinen verlangt, dass in der kommenden Legislaturperiode einheitliche Mindeststandards für die gesamte Union aufgestellt werden. Sie sollen Transparenz und innerparteiliche Demokratie sicherstellen und die Parteien verpflichten, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Wahl ihre Liste fertig zu haben. Das griechische Wahlrecht sieht vor, dass die Liste erst zwei Wochen vor der Wahl veröffentlicht werden muss. Damit fällt der Wahlkampf praktisch aus.
Seit der ersten Direktwahl des EU-Parlaments hat es immer wieder Vorstöße gegeben, die Wahlsysteme EU-weit anzugleichen. So schaffte Frankreich zur Europawahl 2004 die Doppelmandate ab, die im französischen Parteiensystem auf allen Ebenen üblich sind. Viele Abgeordnete der Nationalversammlung bekleiden gleichzeitig ein Bürgermeisteramt oder sitzen in einer Regionalvertretung. Für die Wahl 2009 haben auch Irland und Großbritannien die Doppelmandate abgeschafft. Großbritannien, wo eigentlich Mehrheitswahlrecht gilt, führte für die Europawahl das Verhältniswahlrecht ein.
Sollte das EU-Parlament in der kommenden Legislaturperiode tatsächlich eine stärkere Harmonisierung anstreben, ist Streit mit den Mitgliedsstaaten vorprogrammiert. Vom unterschiedlichen Mindestalter für Mandatsträger bis zur Fünfprozenthürde, die nur in wenigen Staaten gilt, gibt es jede Menge Stoff für Konflikte. Und die Hürden für ein europäisches Wahlgesetz sind hoch. "Eine europäische Wahlordnung wird eine schwere Geburt", hat Jo Leinen richtig erkannt.
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