Berliner Demo gegen die Finanzkrise: Krise verbindet

Ökos neben Alt-Kommunisten, Schüler neben Gewerkschaftlern und Antifas: Mehrere zehntausend Menschen fordern bei der Demo am Samstag einen anderen Umgang der Politik mit der Finanzkrise

Für die Demonstranten ist klar: Mit dem Kapitalismus kann es so nicht weitergehen Bild: RTR

Auch Neptun war dabei. Zur Auftaktkundgebung der Demo "Wir zahlen nicht für eure Krise" vor dem Roten Rathaus hatten junge Demonstranten dem Meeresgott eine GEW-Fahne umgehängt und ein rotes Tuch an seinen Dreizack gebunden. Eine der anderen Brunnenfiguren hatte einen roten Strick um den Hals gebunden bekommen, einer weiteren saß eine schwarz-rot-goldene Kuh auf dem Kopf. Auf dem Euter trug sie ein Eurosymbol, auf dem Rücken die Aufschrift "Wir sind das Volk".

Das Gefühl, für eine Krise zahlen zu müssen, die nicht selbstverantwortet ist, während die Verantwortlichen straflos davon kommen, trieb am Samstag nach Polizeiangaben rund 15.000 Menschen auf die Straße. Die Veranstalter sprachen sogar von 30.000 Teilnehmern. Die Demonstration fand im Vorfeld des G20-Gipfels statt, zu dem sich Anfang April die 20 größten Industrie- und Schwellenländer in London treffen. Zu den Protesten aufgerufen hatte ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Parteien, Globalisierungskritikern, linken Gruppen und Umweltverbänden.

Entsprechend gemischt waren auch die Teilnehmer. Rote Fahnen in jeglicher Hinsicht dominierten das Bild - von den Gewerkschaften bis hin zur Linkspartei und Antifa-Gruppierungen. Auch die Wortbeiträge deckten ein breites Spektrum ab: Neben dem prominentesten Redner, dem Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, sprachen unter anderem Hans-Jürgen Urban aus dem Vorstand der IG Metall und Carsten Becker vom Personalrat der Charité. Fast alle verlangten, sich in Dimension und Intensität an den Protesten in Frankreich zu orientieren. Dort waren in den vergangenen Monaten mehrere Millionen Menschen auf die Straße gegangen, um für soziale Maßnahmen zu protestieren. Vor zehn Tagen legte ein Generalstreik das Land lahm - gleiches sollte laut den Rednern und Demonstranten auch in Deutschland passieren.

Applaus gab es nicht nur für Forderungen nach einem Generalstreik, sondern auch für die unterschiedlichsten Formulierungen zur Abschaffung des Kapitalismus. "Kapitalismus abwracken", riefen die beiden Rednerinnen vom antikapitalistischen Block, "politische Zechprellerei", beschwerte sich Urban, "die Überführung der Banken in die Öffentliche Hand", forderte Alexis Passadakis von Attac. Auch Gysi stand dem in nichts nach. "Die Großbanken müssen verstaatlicht werden", sagte er vor applaudierendem Publikum - das ihn zum Teil noch mit Buh-Rufen begrüßt hatte. Nur wenn es einen wachsenden zivilgesellschaftlichen Widerstand gebe, sei es möglich, eine Sozialisierung der Verluste zu verhindern.

Ähnlich sahen es manche Teilnehmer: "Ich bin davon überzeugt, dass es etwas bringt, auf die Straße zu gehen", erklärte ein Mittfünfziger mit mehreren Zeitungen unter dem Arm. Er und seine Frau kommen eigentlich aus Chile, er musste ihr die zentralen Positionen der Redner übersetzten, ihr Klatschen kam daher immer ein kleines bisschen später. Hinter dem Paar war eines der zahlreichen Transparente aufgebaut, die einen Mindestlohn von zehn Euro und eine 30-Stunden-Woche fordern. "Wäre die Welt eine Bank, hättet Ihr sie längst gerettet", hieß es auf anderen Plakaten, und "Krisen abschaffen nur mit Revolution".

"Ich bin mit nicht sicher, ob es unmittelbar etwas bringt zu demonstrieren", meinte dagegen eine junge Teilnehmerin, die sich keinem der Blöcke von Gewerkschaftern über Parteien bis zu Umweltschützern zugehörig fühlte. Sie glaube aber daran, dass eine Demo zu einem stärkeren Wir-Gefühl unter den Teilnehmern führe und daher eine Bewegung am Leben halte. "Und das ist wichtig."

Der zum Auftakt betonte Wunsch nach einer friedlichen Demonstration erfüllte sich letztlich nicht ganz. Während der Abschlusskundgebung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten, in deren Folge 25 Teilnehmer festgenommen wurden. Mehrere Personen wurden von Sanitätern behandelt. Christina Kaindel, Sprecherin des Bündnisses, zeigte sich dennoch zufrieden. Die Zahl der Teilnehmer habe die Erwartungen übertroffen und die Stimmung sei gut gewesen. "Das ist ein guter Start in einen kämpferischen Sommer."

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