Kommentar Gesundheitsakten bei Lidl: Das Gute an den Datenskandalen

Lidl, Telekom, Bahn, Airbus - Datenschutzskandale häufen sich. Aber zumindest regt man sich wieder darüber auf. Und ist sensibilisiert für Überwachungswünsche von Schäuble und Co.

Mal wieder Lidl. Der Discounter hat systematisch Krankheiten seiner Beschäftigten erfasst. Das war illegal. Zwar muss ein Arbeitnehmer, wenn er länger als drei Tage krank ist, dem Arbeitgeber per Attest die Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Es geht das Unternehmen aber nichts an, welche Krankheit der Beschäftigte hat.

Lidl nun hat bis vor kurzem Formulare verwendet, in die die Vorgesetzten auch den "Grund der Krankheit" eintragen mussten. Sie mussten also die Mitarbeiter oder deren Kollegen ausfragen, um Informationen zu bekommen, die sie nichts angehen. Es ist anzunehmen, dass diese Informationen dann illegal gespeichert wurden. Und es setzt dem Ganzen die Krone auf, wenn solche heiklen Informationen später sogar publik werden.

Lidl, Telekom, Deutsche Bahn, Airbus - die Datenschutzskandale häufen sich. Wird also alles immer schlimmer? Nein. Viele der Vorfälle liegen Jahre zurück und rühren aus einer Zeit, also solche Machenschaften noch achselzuckend hingenommen wurden. Inzwischen haben sich aber die Maßstäbe der öffentlichen Moral verändert. Die illegale Ausspähung der eigenen Mitarbeiter gilt heute als skandalwürdig. Dass nun ständig neue derartige Skandale bekannt werden, ist also Ausdruck eines gesellschaftlichen Fortschritts und kein Zeichen des Niedergangs.

Woher aber rührt die gesteigerte Sensibilität? Zum einen haben die Überwachungswünsche von Innenminister Schäuble und Co den Datenschutz wieder relevant gemacht. Außerdem hat der

Diebstahl von Kundendaten und das Fingieren von Verträgen in Callcentern viele Menschen aufgerüttelt.

Brauchen wir neue Datenschutzgesetze? Teilweise ja. Gerade beim Arbeitnehmer-Datenschutz wäre sicher manche Präzisierung hilfreich. Fälle wie bei Lidl sind aber heute schon eindeutig illegal. Hier sind Sanktionen der Datenschutzbehörden fällig - und eine Reaktion der Verbraucher. Wer von seinem Arbeitgeber nicht behandelt werden will wie die Beschäftigten von Lidl, sollte dort als Kunde erst mal wegbleiben. CHRISTIAN RATH

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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