Kommentar 100 Tage Obama: Er arbeitet dran

US-Präsident Obama tut genau, was er im Wahlkampf angekündigt hat. Spannend wird nun, wie ernst ihm die Menschenrechtsfrage tatsächlich ist.

Es kommt nicht oft vor, dass man bereits nach den ersten 100 Tagen einer Amtszeit ein Gesicht kaum noch sehen mag, weil es allzu oft auf dem Bildschirm auftaucht. Gemessen an seiner Medienpräsenz scheint Barack Obama nicht seit drei Monaten, sondern seit drei Jahren der Präsident der Vereinigten Staaten zu sein. In dieser Wahrnehmung liegt für ihn eine Gefahr. Schon werden die ersten Vorwürfe laut, Obama beschränke sich lediglich auf Ankündigungen. Ergebnisse könne er nicht vorweisen.

Es ist wahr: Die Welt ist noch nicht atomwaffenfrei. Es gibt nach wie vor Terroristen. Der Nahostkonflikt ist nicht gelöst. Das Verhältnis des Westens zu Russland bleibt schwierig. Und all das, obwohl Obama schon seit 100 Tagen im Amt ist! Gibt es einen besseren Beweis dafür, dass er eben doch nur ein Schaumschläger ist? Was für eine alberne Frage.

Nüchtern betrachtet tut Obama bisher genau das, was er im Wahlkampf angekündigt hat: Er erhöht den Druck auf Pakistan, er sucht den Dialog mit dem Iran und anderen früheren Erzfeinden, er plant mittelfristig den Abzug aus dem Irak, er verstärkt die Truppen in Afghanistan, er bemüht sich um atomare Abrüstung und um eine bessere Klimaschutzpolitik. Je nach politischem Standpunkt gefällt oder missfällt den einen dies, den anderen das.

Die Charmeoffensive des neuen US-Präsidenten hat verbündete Regierungen nicht veranlasst, eigene Interessen über Bord zu werfen. Kein noch so nettes Lächeln wird ihm weitere europäische Kontingente in Afghanistan verschaffen. Obama ist nicht der Weltenherrscher, sondern lediglich der mächtigste Mann eines mächtigen Staates. Was bedeutet, dass auch er verhandeln und für seinen Standpunkt werben muss. Das ist allerdings kein erster Hinweis auf eine gescheiterte Präsidentschaft. Sondern politisches Alltagsgeschäft.

Wer Obama während des Wahlkampfs ernst nahm, hat bisher wenig Überraschungen erlebt. Offen bleibt allerdings noch, wie ernst es ihm mit den Menschenrechten ist. Keine Folter mehr, aber auch keine strafrechtliche Verfolgung der Folterknechte - das sind widersprüchliche Signale. Für ein endgültiges Urteil ist es in diesem Zusammenhang zu früh. Nach nur 100 Tagen ist das weder erstaunlich noch alarmierend. Ein bisschen Zeit sollte man Leuten schon geben - auch Leuten, die dauernd auf dem Bildschirm zu sehen sind.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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