Kommentar Italiens Flüchtlingspolitik: Reine Abwehr

Italien nutzt das libysche Regime als Handlanger für die Politik der Abschreckung und Abschottung.

Italiens Innenminister Roberto Maroni strahlte über alle Backen, als ihn am Sonntag seine rechtspopulistische Lega Nord auf ihrem Kongress begeistert beklatschte. Den Beifall hat er verdient: Schließlich liefert er seinen ausländerfeindlichen Parteifreunden einen Europawahlkampfauftakt nach Maß. Bootsflüchtlinge kommen nun gleich gar nicht mehr an Land - sie werden auf See aufgegriffen und umgehend nach Libyen zurückgeschafft. Dies ist keine Wende in Italiens Flüchtlingspolitik, auch nicht bloß eine Verschärfung. Maroni und Regierungschef Silvio Berlusconi vollziehen mit Gaddafis Hilfe eine pure Flüchtlingsabwehrpolitik.

"Zurückweisung an der Grenze" nennt die Regierung ihre Sammel-Rückschaffungen auf hoher See, und jene Zurückweisung sei schließlich in ganz Europa das gute Recht der Staaten, um "klandestine Immigranten" fernzuhalten.

Gutes Recht der Flüchtlinge ist es auf der anderen Seite, an den Grenzen Europas ihr Begehren auf Asyl oder auf humanitären Schutz vorzubringen. Tun sie das, dann können sie auch nicht abgewiesen werden. Eben jene Prüfung versagt Maroni aber nun von vornherein den Menschen aus Eritrea, aus Somalia oder Nigeria, die ihr Leben riskieren, um vor Krieg, Verfolgung, Not zu fliehen. Mit Zurückweisung hat diese Praxis weniger etwas zu tun als mit umgehender Deportation. Die "Prüfung" hat Maroni schon vorweg besorgt: alles "Illegale". Was Libyen nach der Rückschaffung mit ihnen anstellt, ist das etwa Italiens Problem?

Jahrelange Haft unter unmenschlichen Bedingungen, Misshandlungen, Vergewaltigungen: Dies ist die Realität in Gaddafis Lagern. Nein, Italien macht sich nicht zum Komplizen Gaddafis. Es ist schlimmer: Italien nutzt das libysche Regime als Handlanger für seine Politik der Abschreckung und Abschottung, die nun jeden Anschein der Rücksichtnahme auf elementarste Menschenrechte fallen lässt.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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