Run auf letzte Michael-Jackson-Fotos: Falscher Totentanz in "Bild"

Deutschlands erfolgreichstes Krawallblatt "Bild" präsentierte als Aufmacher "Michael Jackson Stunden vor seinem Tod". Doch das gezeigte Foto ist mehrere Jahre alt.

Wenn Stunden eigentlich Jahre sind: "Bild"-Titelseite vom Montag. Bild: taz

BERLIN taz | Für die Blattmacher der Bild-Zeitung war es die wichtigste Nachricht des Tages: "Michael Jackson Stunden vor seinem Tod" und "Da tanzte er noch auf dem Tisch". Als Beleg für diese Schlagzeile ihres Aufmachers der Seite 1 zeigte Bild am Montag ein Foto, das den kürzlich verstorbenen Sänger in der Tat vital tanzend mit geballten Fäusten auf einem weiß gedeckten Tisch zeigte. "Jetzt tauchen neue Fotos auf, die den 'King of Pop' einen Tag vor seinem Tod zeigen", behauptete Bild euphorisch. Doch an ihre Titelseite dürften die verantwortlichen Redakteure inzwischen nur noch ungern erinnert werden: Die Bilder stammen nicht vom Tag vor Jacksons Tod, sondern nach Angaben der Potsdamer Foto-Agentur Reflex, die die Bilder deutschen Medien als neu angeboten hat, aus dem Jahr 2003.

Montagmittag aber informierte Reflex seine Kunden über den Fehler. Zu ihnen gehört auch die Tageszeitung Welt, die die Fotos ebenfalls abgedruckt hatte und nun die Erklärung der Bild-Agentur zitiert: „Es sieht so aus, als sei Reflex das Opfer eines getürkten Deals geworden. Es stellt sich in dieser Minute heraus, dass die drei von uns als exklusiv und aktuell angebotenen Fotos ‚Michael Jacksons letzter Tanz' nicht wie behauptet letzte Woche entstanden sind, sondern bereits 2003." Dies sei eine "Katastrophe", die die Agentur zutiefst bedaure.

Peinlich für viele Medien, besonders aber für Bild und Frankfurter Rundschau, die das Foto gleich zum Aufmacher ihrer Zeitung erhoben. Nach Angaben der "Bild"-kritischen Internetseite Bildblog entstand das Foto in Wirklichkeit im November 2003 bei den Dreharbeiten zum unveröffentlichten Musikvideo "One More Chance".

Neben Bild und Welt fiel auch die ebenfalls zum Springer-Verlag gehörenden Tageszeitung Berliner Morgenpost auf das Foto herein.

Am Montag, als der ursprüngliche Artikel online längst nicht mehr erhältlich war, übte sich Bild.de in Schadensbegrenzung: "Foto-Schwindel um Michael Jackson", schlagzeilte die Online-Seite von Deutschlands erfolgreichstem Krawallblatt nun und verwies vor allem auf die Konkurrenz: "Mehr als 20 Zeitungen, TV-Sender und Internet-Portale in aller Welt veröffentlichten die Bilder, darunter RTL, focus.de, Die Welt, Frankfurter Rundschau sowie die britischen Zeitungen Sun und News of the World. Auch BILD.de zeigte die Fotos."

In der Unterzeile verweist Bild.de noch ausdrücklich auf den zuständigen Foto-Vermarkter: "Agentur entschuldigt sich für groben Fehler". Im Text ist schließlich sogar eine der bei Bild eher seltenen eigenen Entschuldigungen zu lesen: "Dass auch wir darauf reingefallen sind, bedauern wir." Und: "Es tut uns leid.“

Auch die Frankfurter Rundschau kriecht zu Kreuze ("das ist peinlich") und erklärt, "das Bild war als zweifelsfrei erst vor wenigen Tagen entstandenes Foto angeboten worden". Der Anbieter, die Agentur Reflex, sei zwar auf "das Paparazzi-Genre spezialisiert", genieße "hier aber den Ruf lupenreiner Seriosität".

Inzwischen sind neue Fotos aufgetaucht, die einen "fitten Jackson bei letzten Proben" zeigen, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Auf den Fotos sei zu sehen, wie er im Staples Center in Los Angeles noch zwei Tage vor seinem plötzlichen Herzversagen singt und tanzt. Bild.de hat die Fotos bereits veröffentlicht.

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