Kolumne Overseas: Auf der Enterprise
Sie ist da: Die grüne Revolution im Land der Umweltsünder.
O bama, Windräder und Smart Grits: In Amerika reden alle von der grünen Revolution. Es fühlt sich dabei an, als wäre es die erste Revolution der Menschheit, die völlig ohne Volk auskommt. Denn die Einzigen, die die Barrikaden stürmen, sind die Bürgermeister, die gern ein paar grüne Stimulusdollars für ihre bewohnten Straßenkreuzungen mitten im Nichts haben wollen.
Adrienne Woltersdorf ist USA-Korrespondentin der taz.
So langsam verstehe ich aber, was die restlichen Amis damit meinen, wenn sie sagen, dass sie das Gedöns da oben an den Polen mit Technik statt mit Jute in den Griff bekommen werden. Kürzlich war ich bei einem arrivierten Freund zu Besuch, Professor an einer New Yorker Uni, der ein schickes Appartment am Central Park bewohnt. Während es draußen brütend heiß war, hatte einer der livrierten Pförtner einen Wollschal um, gegen die arktische Kälte in der Lobby. Weil ich gerne wieder eingeladen werden möchte, erbot ich mich, täglich ein bisschen Haushalt zu machen und den Müll wegzubringen, der bei unserem morgendlichen und abendlichen Fastfood in Mengen anfiel, schließlich benutzten wir spülmaschinenschonende Einwegteller.
Im Müllschluckerraum auf unserer 22. Etage angekommen, dachte ich, ich bin bei Käptn Kirk auf der Enterprise gelandet. Grün-rot-gelb blinkende Lichter, eine lange Gebrauchsanweisung, aber keine Spur von Lieutenant Ohura, die mir hätte übersetzen können. Man soll zuerst den Knopf drücken, der mit dem Material korrespondiert, das man wegschmeißen möchte, verstehe ich. Dann den Nippel durch die Lasche ziehen und hau weg das Zeug. Für Ratlose und Generalisten, glaube ich, ist die Taste "co-mingled items", also Mischware. Die drücke ich. Es summt und wummert, dann rasseln unsere mit Alufolie umwickelten Essensreste in die entsprechende Tonne irgendwo unter dem Hudson, bestimmt direkt ins nächste Kraftwerk.
Prima, ist ganz neu, freut sich unser Gastgeber, der jetzt auch in Klimaschutz macht. Er bringt seine Hemden nur noch zu einer chinesisch geführten "organischen Reinigung. Wie alle New Yorker Reinigungen wäscht sie laut Schild "french", obwohl doch alle Welt weiß, dass Franzosen unbekümmerte Dreckspatzen sind. Wie sie organisch waschen? Na, sie haben natürlich in neue organische Maschinen investiert, erklärt die Mongolin an der Kasse gnädig.
Die grüne Revolution ist so fern von Blut, Schweiß und demokratischen Tränen, dass jetzt auch Bill, der Motorbootbesitzer aus Washington, dabei ist. Bill, der aussieht wie Hemingway, treffe ich an der Bar eines Restaurants, das strikt regional gezogenes Gemüse auftischt und auch nur die lokale Luft ordentlich runtereist. Er ist waschechter Südstaatenrepublikaner und kein Freund von liberaler Schmusepolitik. Aber hallo, neue Energien, das muss sein, sagt er. Ich bin doch kein Neandertaler, empört sich Bill kokett, weil er weiß, wie fortschrittlich klingt, was er mir gleich erzählen wird.
Denn seit er in Florida, wo er ein weiteres Motorboot besitzt, gesehen hat, wie ein Start-up bei ihm um die Ecke an der Stromgewinnung aus militärischen Nachtsichtgeräten arbeitet, ist er ein Fan erneuerbarer Energien. Warum nur die Sonne, ruft er triumphierend, wenn es doch auch das Mondlicht gibt? Los, beam me up! Scotty, ich will zur grünen Revolution.
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