Dopingsperre für Claudia Pechstein: Das Blut der Besten

Wegen Blutdopings wird Claudia Pechstein für zwei Jahre gesperrt. Deutschlands erfolgreichste Winterolympionikin will das nicht wahrhaben und stellt sich als Opfer dar.

"Ich habe eine öffentliche Hinrichtung über mich ergehen lassen": Claudia Pechstein ist sich keiner Schuld bewusst. : ap

Es war ein Schock. Die erfolgreichste deutsche Winterolympionikin ist wegen Dopings gesperrt worden. Claudia Pechstein, die fünf olympische Goldmedaillen im Eisschnelllauf gewonnen hat, wurde von der internationalen Eislauf Union (ISU) für zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen. Es geht um nicht erlaubte Methoden zur Leistungssteigerung. Claudia Pechstein wird Blutdoping vorgeworfen. "Daran ist gar nichts wahr", sagt die 37-Jährige, deren Leistungsexplosion im vergangenen Winter nicht wenige Beobachter in Staunen versetzt hat. Und: "Es liegen von mir keine positiven Proben vor."

Es gibt sie also immer noch, die Sportler, die das für ein geeignetes Argument in ihrer Verteidigung halten. Marion Jones, die ganz tief gefallene Leichtathletin, wurde 160-mal in ihrer Karriere getestet. Das Ergebnis war jedes Mal negativ. Und doch galt als erwiesen, dass sie gedopt hat. Zeugenaussagen und Indizien hatten Jones so weit in die Enge getrieben, dass sie irgendwann zugab, ihre Körper auf verbotene Weise getunt zu haben. Zugegeben hat sie das nur, um eine Gefängnisstrafe wegen Meineids zu entgehen, zu der sie dann doch verurteilt wurde.

Das Doping war längst erwiesen. Die Dopingjäger arbeiten schon länger mit Indizienbeweisen. Auch die fünf Radler, die vom Internationalen Radsportverband UCI in der vorvergangenen Woche aus dem Verkehr gezogen wurden, weil ihr Blutbild eindeutige Schlüsse auf Manipulationen zulässt, belegen das. Dennoch ist der Fall Pechstein eine Premiere. Erstmals hat ein internationaler Fachverband eine Dopingsperre ausgesprochen, weil ein Wert im Blutbild auffällig hoch war.

Es geht um den Wert, der den Anteil von Retikulozyten, einer Vorstufe der roten Blutkörperchen, angibt. Wilhelm Schänzer, Leiter des von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) akkreditierten Analyselabors in Köln, hat die Bedeutung des Werts den taz-Lesern in der Wochenendausgabe erklärt. "Der Wert fällt auf, wenn man zu viel Blut zuführt oder viel Blut abgibt", sagte er.

Weil sich die laut Wada-Kodex verbotene Methode des Eigenblutdoping noch nicht direkt nachweisen lasse, ist der indirekte Nachweis über den in der Szene als Reti-Wert bekannten Parameter die einzige Möglichkeit, derartige Blutmanipulationen zu belegen. Die ISU hat lange gebraucht, die seit 2003 gesammelten Werte einzuordnen. Der Verband muss sich seiner Sache ziemlich sicher sein. Der Schritt, eine Zweijahressperre auszusprechen, darf getrost als mutig bezeichnet werden.

Die Nationale Antidoping-Agentur Nada war von Beginn an von den Dopinguntersuchungen gegen Claudia Pechstein informiert. Auf ihrer Jahrespressekonferenz im Mai sprach Geschäftsführer Göttrick Wewer auch über das Thema Indizienbeweis in Dopingverfahren. "Wir bräuchten einmal einen richtig Volltreffer", sagte er damals. Damit könne das Sammeln der medizinischen Daten gerechtfertigt werden. Wewer wies darauf hin, dass ein erster Indizienbeweis absolut wasserdicht sein müsse. "Das darf nicht schiefgehen!"

Den großen Fisch hat man nun an der Angel. Ob man ihn wirklich aus dem Wasser wird ziehen dürfen, muss sich noch erweisen. Claudia Pechtstein hat angekündigt, vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne Einspruch gegen die Sperre einlegen zu wollen. Sie spricht sogar schon von Schadenersatzforderungen gegen die ISU. Drei Wochen hat sie Zeit, den CAS anzurufen. Der Ausgang des Verfahrens ist in der Tat offen. Der russische Radprofi Wladimir Gussew, der von seinem Team Astana wegen Auffälligkeiten im Blutprofil entlassen worden ist, klagte jüngst erfolgreich auf Weiterbeschäftigung.

Die Argumentation von Claudia Pechstein vor dem Tribunal in Lausanne wird sich wohl auf ein Gutachten stützen, das der Schweizer Max Gassmann von der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Zürich in Pechsteins Verfahren vor der ISU vorgestellt hat. Danach ließen sich die erhöhten Reti-Werte etwa mit einer erblichen Blutkrankheit, Blutanomalien oder einfachen Infekten erklären.

Deutschland lautstärkster Dopingjäger, der Heidelberger Molekularbiologe Werner Franke, widerspricht dem vehement: "Das ist hanebüchener Unsinn. Dann müsste sie eine spezielle Art von Leukämie haben, und mit dieser wären Spitzenleistungen nicht möglich. Eine genetische Krankheit könnte man innerhalb weniger Tage mit der DNA messen. Hier handelt es sich um eine manipulierte Erhöhung der roten Blutkörperchen."

Längst positioniert sich Pechstein über ihre Argumentation hinaus als Opfer: "Ich habe eine öffentliche Hinrichtung über mich ergehen lassen müssen." Sie eröffnete darüber hinaus einen neuen Schauplatz für Auseinandersetzungen, indem sie sich via ZDF-Sportstudio und auf ihrer Website (www.claudia-pechstein.de) bei ihren Fans entschuldigt, sich auf einen "Kuhhandel" mit der ISU eingelassen zu haben. Den schildert sie so: " `Wenn du dich krankmeldest, dann werden wir die Öffentlichkeit nicht informieren. Und die ganze Angelegenheit kann in aller Ruhe geklärt werden', wurde mir vorgeschlagen, als mir in der Nacht zum 8. Februar 2009 die Nachricht der gemessenen erhöhten Retikulozytenwerte überbracht wurde."

Ein schlechtes Gewissen habe sie, weil sie die Öffentlichkeit belogen habe, was ihren Gesundheitszustand angeht. Darüber hinaus sei ihr Gewissen rein. In einem Interview mit der Berliner Morgenpost spricht sie von 160 Kontrollen zwischen 2003 und 2009 und meint: "Es hat nie einen positiven Test gegeben." 160 negative Tests? Das hatten wir doch schon…

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