die wahrheit: Wettnageln in Wichita

Mett-Eater - der härteste Polier seiner Zeit.

Im Westen gab es viele harte Männer. Aber neben Mett-Eater wirkten sie weicher als Putenleberpastete. Bild: ap

Endlos erstreckten sich die Weiden der T-Bone-Ranch vor Sid Carpenters Augen. In dieser majestätischen Landschaft wirkten selbst die Rinderherden von Colonel Rhinepold winzig. Gemächlich wanderten die Paarhufer von Hügel zu Hügel, um das fette Gras von Kansas zu ernten. Wie flinke Ameisen, die ihre Blattläuse hüten, trieben Cowboys die wertvollen Wiederkäuer vor sich her.

Dies war gute Erde, reicher Grund. Von diesen Wiesen wurden die Schlachthöfe in Kansas City und Chicago versorgt, um die Mägen Amerikas zu füllen. Und täglich wurden es mehr Mägen - Dutzende Auswandererschiffe trafen jeden Tag vor Liberty Island ein. In Tombstone gab es bereits drei chinesische Wäschereien.

In den staubigen Straßen von Dodge City patroullierte sogar ein Hilfssheriff, der einen Turban trug. Manche glaubten freilich, dass der Mann gar kein Inder war, sondern nur ein apfelgroßes Furunkel auf der Glatze verbergen wollte … Aus aller Herren Länder strömten die Menschen in "Gods own country". Und mit ihnen Probleme - eine Springflut von Problemen. Carpenter biss in seinen Toast mit Rindsalami und zog ein missmutiges Gesicht. Doch nicht, weil die Kleine in der Postkutschenstation von Wichita es mit der Margarine übertrieben hatte. Das störte den Mann der Baubrigade 7 nicht. In Tombstone hatte er mal ein Mettbrötchen gegessen, das mit Wagenschmiere zubereitet worden war - und er hatte Nachschlag verlangt. Seitdem trug Sid Carpenter den Spitznamen, der von der Ost- bis zur Westküste die Guys erblassen und die Ladys erröten ließ: "Mett-Eater". Im Westen gab es viele harte Männer. Aber neben Mett-Eater wirkten sie alle weicher als Putenleberpastete.

Carpenter zog sein treues Taschenteleskop aus dem Werkzeuggürtel und richtete es auf den Herrensitz der T-Bone-Ranch. Die Gatter und Zäune rund um den Herrensitz, die dem unbewaffneten Auge einwandfrei erschienen, entpuppten sich durchs scharfe Glas als Pfusch. Sie steckten in der fetten Erde von Kansas schiefer als die Zähne im Mund einer alten Squaw. "Vladek is here …", brummte der Mett-Eater. "Vladek und seine verd… Gang. Die Handschrift erkenn ich doch auf zehn Meilen gegen den Wind!"

"Well", sagte Carpenter und musterte die Zigarre, die der Colonel ihm zur Begrüßung geschenkt hatte. "Sie haben ein Problem. Sie haben Leiharbeiter für einen Job genommen, den besser Profis erledigen sollten. Aber jetzt geben Sie mir erst einmal Feuer, Sir." John J. Rhinepold, Held zahlloser Schlachten im Bürgerkrieg, krümmte sich wie ein Deserteur in seinem Rollstuhl. Dann griff er hastig zu einer vergoldeten Schelle. "Consuela!", rief er.

Im nächsten Moment schwebte der schönste Exportartikel Mexikos durch die Mahagonitür von Colonel Rhinepolds Büro. Ihre Locken glommen dunkler als der Fingernagel eines Schlossers. Ihre Zähne schimmerten wie der Elfenbeingriff von Carpenters Lieblings-Inbus. In ihren Augen wohnte die warme Glut von Absperrlampen an einer Tiefbaustelle - Warnung und Verlockung zugleich. Consuela trug ein schlichtes weißes Kattunkleid, das ihre drallen Formen kaum bändigen konnte. Carpenter tat, was alle braven Bauarbeiter tun, wenn sie ein attraktives Girl sehen: Er steckte zwei Finger in den Mund und pfiff. Die Kleine wirbelte zu ihm herum und lächelte kokett.

"Alright, Mr Rhinepold", lachte Carpenter, "lassen Sie mich und Consuela mal ein paar Stunden allein. Danach sprechen wir über eine Lösung für Ihre Probleme."

"Aber …", stammelte der alte Kriegsheld. "Kein Aber. Sie werden schon sehen. Und damit bastei!" Rhinepold rollte murmelnd davon. Und dann zeigte Consuela dem Baubrigade-Mann, wo in Mexiko die Chilischote wächst … Vladek ließ in der heißen Sonne von Wichita seine Muskeln spielen. Mett-Eater wirkte wie ein Puma vor dem Sprung. Ein Wettkampf sollte entscheiden, ob in Kansas Leiharbeit eine Zukunft hatte. Es galt, elektrische Drähte an die Pfosten zu nageln, die die T-Bone-Ranch abgrenzten. Carpenter von Ost nach Nord, Vladek von West nach Süd. Der Verlierer würde im Jail von Wichita landen - auf den Gewinner wartete ein ordentlicher Arbeitsvertrag. Der Mett-Eater aber hatte vorgesorgt: Seine Nagelhölzer waren über Nacht mit einem ordentlichen Zementfuß versehen worden. Daran hatte Vladek natürlich nicht gedacht, als er mit seinen Compañeros im Bauwagen saß und die Lieder seiner fernen Heimat sang …

Die Sache endete, wie sie enden musste. Vladek wehrte sich nicht einmal, als die Handschellen zuklickten. Und die rassige Consuela sagte mit gutturaler Stimme zu Carpenter: "Du sperren ein schlechte Arbeiter … aber jetzt du zeigen mir - Tier!" Mett-Eater holsterte seinen Mehrzweckhammer und grinste. Ja, er würde ihr zeigen "Tier". Wo denn sonst, wenn nicht hier? Hier - auf den weiten Weiden von Wichita, Kansas!

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