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New Fabris-Betriebsrat über den Arbeitskampf"Nicht wegwerfen lassen wie Dreck"

Renault und Peugot Citroen sollen zu den Abfindungen beitragen, der Staat auf Einnahmen verzichten, fordert Betriebsrat Guy Eyermann. Passiert dies nicht, dann gilt die Drohung der Fabriksprengung wieder.

Bild: ap
Dorothea Hahn
Interview von Dorothea Hahn

taz: Herr Eyermann, wer hatte die Idee, New Fabris in die Luft zu jagen?

Guy Eyermann: Die Beschäftigten. Sie kämpfen seit mehr als sechs Monaten mit aller Kraft für den Erhalt des Unternehmens. Nachdem alle anderen Mittel erschöpft waren, haben sie entschieden, die Gasflaschen aufs Dach zu stellen, um zusätzlich Druck auf Renault und PSA zu machen.

Warum richten Sie Ihre Forderungen an Renault und PSA?

Wir haben keinen Patron mehr. Er ist weg. New Fabris ist abgewickelt. Für Renault und PSA haben wir immerhin 35 Jahre lang gearbeitet. Sie waren unsere letzten Kunden. Ein paar Tage bevor das Gericht in Lyon unsere Abwicklung entschieden hat, haben sie uns feige fallen gelassen.

Die Regierung hat Anfang dieses Jahres einen "Automobilpakt" im Wert von 6 Milliarden Euro zur Unterstützung der Autoindustrie in der Krise beschlossen. Wieso hat New Fabris nicht davon profitiert?

Das Geld war unter anderem für die Zulieferer von Renault und PSA gedacht. Wir haben nichts davon gesehen.

Wie reagieren die Gewerkschaftszentralen auf Ihre Drohung?

Nicht sehr gut. Normalerweise ist das nicht unsere Philosophie. Wir sind nicht dafür da, mit Gasflaschen zu drohen. Aber die gewerkschaftlichen Organisationen sind überfordert.

Was meinen Sie mit: Die Gewerkschaften reagieren "nicht sehr gut"?

Meine Gewerkschaft, die CGT, ist gegen solche Aktionen. Wir haben mehrfach darüber gesprochen. Sie haben ihre Arbeit, sitzen in ihren Büros. Aber wir hier haben keine Arbeit mehr. Wir sind entlassen. Wir sind nichts mehr. Wir stehen vor dem Elend. Man kann einfach nicht vergleichen, was nicht vergleichbar ist.

Glauben Sie, dass solche Aktionen in Frankreich Schule machen?

Wir hoffen es. Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Europa. Wir sollten uns nicht wegwerfen lassen wie Dreck. Wir müssen gegen all diese Entlassungen in Frankreich und in anderen europäischen Ländern kämpfen. Wir lehnen Entlassungen ab. Und wir lehnen die Arbeitslosigkeit ab.

Sie wünschen, dass auch die entlassenen Beschäftigten anderer Unternehmen mit Sprengungen drohen?

Entweder solche oder andere Drohungen. Auf jeden Fall sollten die Leute gegen jede Entlassung kämpfen. Sie sollten nicht zuhause bleiben, Fernsehen gucken und über ihr Schicksal jammern.

Politisch wäre es das Beste, dass wir uns zusammentun und gegen diese Patrons kämpfen, die uns wie Dreck wegwerfen wollen. Wenn sie abdanken oder in Rente gehen, dann verlangen sie eine Million Euro. Oder noch sehr viel mehr. Sie holen sich den "goldenen Handschlag". Das tun wir nicht. Wir verlangen nur 30.000 unglückselige Euro.

Haben Sie keine Angst um Ihre persönliche Zukunft, wenn Sie solche Drohungen aussprechen?

Nein.

Das klingt kategorisch.

Wir haben nichts mehr zu verlieren. Wir haben keine Arbeit mehr. In unserer Region gibt es überall Entlassungen. Und es wird vor Ablauf von vielen Monaten oder Jahren keine neue Arbeit geben.

Morgen empfängt Sie Industrieminister Christian Estrosi. Was erwarten Sie von ihm?

Als erstes, dass er alles unternimmt, damit Renault und PSA bis zum 31. Juli eine Abfindung zahlen. Zweitens schuldet das Unternehmen dem Staat Geld. Wir möchten, dass der Staat darauf verzichtet, damit wir etwas bekommen.

Was machen Sie, wenn Ihr Gespräch mit dem Minister kein sofortiges Resultat bringt?

Dann tragen wir die Gasflaschen wieder auf das Dach. Schließen sie wieder an. Und warten ab bis zum 31. Juli.

Wollen Sie tatsächlich Ihre Fabrik sprengen?

Zwischen einer Drohung und einer Aktion gibt es Unterschiede. Wir werden sehen, ob wir am Ende auf den Zünder drücken.

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