Geiselbefreiung auf hoher See: Jung kennt Grundgesetz nicht

Der Verteidigungsminister will die Verfassung ändern, damit die Bundeswehr Geiseln befreien kann. Das ist aber heute schon zulässig, erklärt Justizministerin Zypries.

Im Rahmen der "Mission Atalanta" dürfen Bundeswehrsoldaten doch schon, was Jung erst im Grundgesetz verankert haben möchte. Bild: dpa

BERLIN tazDie Union versucht es immer wieder. Bei jeder Gelegenheit fordern CDU-Minister eine Änderung der Verfassung, um die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr zu erweitern. Verteidigungsminister Franz Josef Jung will nun per Grundgesetzänderung ermöglichen, dass die Bundeswehr auch zur Befreiung von Geiseln aus Piratenhand eingesetzt werden kann. SPD-Justizministerin Zypries widerspricht: Das sei bereits möglich.

In der Bild am Sonntag sagte Jung: "Wir sollten über eine Verfassungsänderung nachdenken, die der Bundeswehr den Zugriff ermöglicht, wenn die Polizei nicht handeln kann, da sie beispielsweise gar nicht am Ort des Geschehens ist." Er bezog sich auf einen Versuch, den entführten Frachter "Hansa Stavanger" mithilfe der Bundespolizeitruppe GSG 9 zu befreien, der aber Ende April abgebrochen wurde, weil er für die Geiseln zu gefährlich war.

"Nach unserer Verfassung ist derzeit für eine Geiselbefreiung die Polizei zuständig", so Jung. "Bis die Polizei am Horn von Afrika einsatzfähig ist, hat sich die Lage längst verschärft." Kurz nach dem Überfall seien nur fünf Piraten auf der "Hansa Stavanger" gewesen, später sei das gekaperte Schiff von bis zu 35 Männern bewacht worden, "und die Lage wurde viel schwieriger". Justizministerin Zypries trat Jungs Darstellung entgegen: "Natürlich darf die Bundeswehr im Rahmen der Operation Atalanta vor dem Horn von Afrika Geiseln aus der Hand von Piraten befreien - dazu muss man das Grundgesetz nicht ändern", sagte sie zur taz. "Im Übrigen müsste bei einer Geiselbefreiung auch die Bundeswehr ihre Spezialkräfte einfliegen lassen, und ich wüsste nicht, warum das KSK schneller vor Ort sein sollte als die GSG 9."

Tatsächlich lässt das Bundesverfassungsgericht Einsätze der Bundeswehr im Ausland immer dann zu, wenn sie in einem internationalen Rahmen erfolgen. Beim Piraten-Einsatz ist dies die EU-Mission Atalanta. Deren Mandat umfasst "die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes von Gewalt, zur Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen Handlungen". Außerdem beruht der Bundeswehreinsatz auf einem speziellen Mandat des Bundestags. Auch darin heißt es, dass die Bundeswehr "alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt ergreifen" kann.

Die GSG 9 sollte Ende April zum Einsatz kommen, weil sie für Geiselbefreiungen besser ausgebildet ist, als das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.

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