CIA-Report veröffentlicht: Foltern für die Sicherheit
Die Veröffentlichung des CIA-Reports hat für Aufregung gesorgt. Beamte sollen bei Verhören stärker gefoltert haben, als von der Bush-Regierung toleriert. Ein Sonderermittler wurde eingesetzt.
WASHINGTON taz | Was viele Kritiker der Regierung von US-Präsident George W. Bush vermutet haben, liegt nun greifbar, auf 154 Seiten dokumentiert, auf dem Tisch: Mutmaßlichen Terroristen wurde angedroht, dass ihre Kinder umgebracht oder ihre Mütter missbraucht würden.
Dass CIA-Mitarbeiter in der Vergangenheit Gefangene des US-Geheimdienstes mit Einverständnis des US-Justizministeriums mißhandelt und gefoltert haben, das konnte längst an Einzelfällen bewiesen werden. Wie der am Montag in Washington veröffentlichte CIA-Report aus dem Jahr 2004 jedoch zeigt, gingen die Verhörer dabei weiter, als ihnen selbst das Justizministerium in Bushs Amtszeit genehmigt hatte.
Der lange unter Verschluss gehaltene Bericht kritisiert dies scharf. Die CIA habe "nicht erlaubte" und "inhumane" Praktiken bei mutmaßlichen Top-Terroristen angewandt, heißt es in dem Bericht, der der US-Öffentlichkeit vollständig zugänglich gemacht wurde. Justizminister Eric Holder kündigte zudem am Montag an, dass ein US-Sonderstaatsanwalt die Foltervorwürfe gegen die CIA sowie gegen Mitarbeiter einiger privater US-Sicherheitsfirmen, darunter Blackwater, die für die US-Regierung arbeiteten, untersuchen soll.
94. […] Einem Anwesenden […] zufolge wurde al-Nashiri in einem Fall von demselben Befrager des Hauptquartiers mit den Worten bedroht: "Wir könnten deine Mutter hierherbringen", und: "Wir können deine Familie hierherbringen", wenn al-Nashiri nicht spreche.
Der […] Befrager wollte al-Nashiri aus psychologischen Gründen, mittels seines arabischen Dialekts, den Eindruck vermitteln, dass er […] Geheimdienstbeamter sei, und al-Nashiri sich in […] Haft befinde. Denn in Nahost-Kreisen sei der Glaube weit verbreitet, dass […] Verhörtechniken den sexuellen Missbrauch von weiblichen Familienangehörigen in Gegenwart des Häftlings einschließen würden. Der Befrager verneinte, al-Nashiris Familie bedroht zu haben. Der Befrager sagte auch, dass er nicht erklärt habe, wer er sei oder wo er herkomme, während er mit al-Nashiri gesprochen habe. Der Befrager sagte, er habe niemals gesagt, er wäre […] Geheimdienstbeamter, aber er ließ al-Nashiri seine eigene Schlussfolgerungen ziehen.
95. […] Ein erfahrener CIA-Befrager berichtete, dass die […] Befrager Khalid Sheikh Mohammed […] gedroht hätten. Diesem Befrager zufolge sagten die […] Befrager zu Khalid Sheikh Mohammed: "Wir werden deine Kinder umbringen", falls noch irgendetwas in den Vereinigten Staaten passieren sollte. Dem Befrager zufolge sagte einer der […] Befrager […].
Bezüglich des ihm vorliegenden Berichts über die Bedrohungen […] wies der Bericht keine Gesetzesverletzungen vor.
166. […] Im Juli 2002 […] nahm ein Einsatzbeamter mit weiteren Einsatzbeamten an der Vernehmung eines Häftlings teil […]: Es wird berichtet, dass sie eine "Druckpunkt"-Technik benutzten: Dem Häftling wurden die Hände ins Genick gestreckt, so dass seine Finger seine Halsschlagader beeinträchtigten.
169. […] Der Befrager, der die Handfeuerwaffe und die Bohrmaschine gegen al-Nashiri verwendete […], wies darauf hin, dass solche Handlungen auf einer Methode beruhten, an der er in […] mitgewirkt habe.
Der Befrager gab an, dass ihm, als er zwischen September und Oktober 2002 […], angeboten wurde, eine Handfeuerwaffe außerhalb des Befragungsraums abzufeuern.
Während der Befragung eines Häftlings, von dem angenommen wurde, dass er Informationen zurückhalte, […] wurden außerhalb der Zelle von CIA-Beamten und […] Wächtern Schreie vorgetäuscht.
Als der Häftling durch weitere Wachen aus dem Befragungsraum gebracht wurde, gingen sie an einem Wächter vorbei, der wie ein vermummter Häftling gekleidet war. Der lag regungslos auf dem Boden und täuschte so vor, erschossen worden zu sein.
Die mit […] versehenen Stellen markieren Schwärzungen im CIA-Report.
In etwa einem Dutzend Fällen soll nun geprüft werden, inwieweit Verhörspezialisten bei Terroristen-Vernehmungen gegen Gesetze verstoßen haben, teilte Holder mit. Zum Leiter der Ermittlung berief der Justizminister den Staatsanwalt John Durham. Der solle auch die Hintergründe der Zerstörung von Videobändern durch die CIA untersuchen, auf denen angeblich die Anwendung von brutalen Verhörmethoden zu sehen war.
Die Ereignisse vom Montag markieren so etwas wie eine Kehrtwende der Regierung des neuen US-Präsidenten Barack Obama. Obama hatte bisher einer juristischen Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen der Bush-Ära zögerlich bis ablehnend gegenüber gestanden. Er wolle nach vorne schauen, statt zurück, hatte Obama gesagt, der selbst Verfassungsrechtler ist.
Im April hatte er etwas lauwarm verfügt, dass sein Justizminister die schlussendliche Entscheidug treffen solle, ob gegen CIA-Mitarbeitende ermittelt werden solle, oder nicht. Obama hatte die Veröffentlichung des nun vorliegenden CIA-Berichts abgelehnt. Nachdem die Bürgerrechtsorganisation ACLU jedoch auf die Veröffentlichung klagte, ordnete ein Gericht die Herausgabe an.
Dem jetzt öffentlich gemachten CIA-Report zufolge hatten US-amerikanische Verhörspezialisten Khalid Sheik Mohammed, einem der mutmaßlichen Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001, mit der Ermordung seiner Kinder gedroht. Einem anderen Gefangenen soll erzählt worden sein, er werde zusehen müssen, wie sie seine Mutter vergewaltigen würden. Andere Inhaftierte seien mit einer elektrischen Bohrmaschine und Schusswaffen bedroht worden. Zum Schreckensszenario der US-Verhörer gehörten offenbar auch vorgetäuschte Hinrichtungen.
Offenbar, so der Bericht, zeitigten die Methoden aber auch Erfolge. Verhörergebnisse sollen dazu geführt haben, dass weitere Gesuchte identifiziert und verhaftet, sowie geplante Anschläge verhindert werden konnten. Rechtsexperten und Kritiker der CIA bestreiten, dass diese Resultate nur aufgrund von Folter erzielt werden konnten.
Holder betonte am Montag, dass er sich darüber im Klaren sei, dass seine Entscheidung äußerst umstritten sein werde. Angesichts der im CIA-Bericht aufgetauchten Informationen sei für ihn die Anordnung einer Ermittlung jedoch "der einzig verantwortliche Kurs".
Obama ließ unterdessen am Montag aus seinem Feriendomizil auf Marthas Vineyard verlauten, eine Spezialeinheit für Vernehmungen mutmaßlicher Terroristen gründen zu wollen. Die Sondereinheit werde künftig bei der US-Bundespolizei FBI angesiedelt sein und aus Spezialisten verschiedener Bundesbehörden bestehen, teilte der stellvertretende Sprecher des Weißen Hauses, Bill Burton, mit.
Das Weiße Haus bekräftigte noch einmal Obamas Wunsch "nach vorne und nicht zurückzublicken". Zugleich hieß es, der Justizminister und Generalstaatsanwalt müssten unabhängig von einander entscheiden, ob jemand illegal gehandelt habe oder nicht.
David Cole, progressiver Juraprofessor der Georgetown University, begrüßte Holders Ankündigung einer Ermittlung als “wichtigen ersten Schritt”. Doch Cole foderte, dass die Verantwortlichen, “und zwar die ganze Entscheidungskette des Justizministeriums hoch,” bis hinauf zum damaligen Vizepräsident Dick Cheney, zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Alles andere sei keine echte Aufklärung sondern nur die die Suche nach billigen scharzen Schafen.
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