Kommentar Historischer Wahlsieg in Japan: Es geht voran

Die neue Regierung ist nicht besonders vertrauenswürdig. Aber sie hat die Herrschaft der Liberaldemokratischen Partei gebrochen. Das ist ein historischer Verdienst.

Diese Wahl in der zweitgrößen Wirtschaftsnation der Welt ist historisch. Denn Japans seit 54 Jahren fast ununterbrochen regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) ist nicht nur abgewählt worden, sondern hat auch fast zwei Drittel ihrer Sitze verloren. Umgekehrt hat die siegreiche Demokratische Partei (DPJ) ihre Mandate nahezu verdreifacht.

Bleibt nur ein Makel: Der Triumph der DPJ ist vor allem dem Protest gegen die konservative LDP geschuldet und weniger ein bewusstes Votum für die DPJ. Die LDP ist einfach zu verbraucht, arrogant und ideenlos und kann sich nach Meinung der Wähler nur noch in der Opposition erneuern.

Die Voraussetzungen für einen wirklichen Demokratieschub sind jetzt günstiger als 1993/94, als die LDP schon einmal für zehn Monate von der Macht verdrängt worden war. Damals war die LDP stärkste Partei geblieben; ihr gegenüber stand eine Koalition aus acht kleineren Parteien.

Statt Koalitionsquerelen könnten aber bald die Wähler das Experiment in die Schranken weisen. Dann nämlich, wenn sie die DPJ für ihre Verfehlungen bei den 2010 anstehenden Oberhauswahlen abstrafen und ihr und ihren angestrebten Koalitionspartnern nicht die notwendigen Stimmen geben. Das dürfte den Spielraum der Regierung des designierten Premiers Hatoyama weiter einengen, als es die desolate Finanzlage ohnehin schon tut, und Reformen womöglich ganz ausbremsen.

Die DPJ hat zu Recht die Vernachlässigung sozialer Fragen als Problem erkannt. Bei ihren vielen Versprechen blieb aber unklar, wie sie diese angesichts leerer Kassen und Rekordverschuldung finanzieren will. Doch insgesamt kann es mit Japan nur vorangehen, wenn die ewige Regierungspartei in die Opposition verbannt wird und sich endlich ein echtes Zwei- oder gar Mehrparteiensystem entwickelt. Genau das ist der historische Fortschritt dieser Wahl, unabhängig davon, wie viele Versprechen die DPJ letztlich verwirklichen wird.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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