Angst-Studie: Gelassenheit in der Krise

Die Deutschen zeigen trotz Krise erstaunliche Gelassenheit: Sie haben zwar Ängste, aber sie sorgen sich eher um allgemeinen Jobabbau als einen eigenen Rauswurf.

48 Prozent der Deutschen haben Angst, beim Arbeitsamt zu landen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Wirtschaftskrise bestimmt die Sorgen der Deutschen: So hat die Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage und vor allgemeiner Arbeitslosigkeit deutlich zugenommen und führt in diesem Jahr die Spitzenplätze der Angstskala an. "Das ist sprunghaft in die Höhe geschnellt", unterstrich am Donnerstag in Berlin Rita Jakli von der R+V Versicherung. Das Unternehmen erstellt seit 1991 die Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen", die auf einer bundesweiten repräsentativen Umfrage beruht.

Mit 18 Prozent ist die Angst vor höherer Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr am stärksten angestiegen. Sie liegt mit nun 65 Prozent auf dem zweiten Platz. Die Sorge über die schlechte Wirtschaftslage ist für 66 Prozent der Deutschen der größte Angstmacher. Hier stieg das Sorgenbarometer um 8 Prozentpunkte. Nur noch auf Platz drei rangiert mit 63 Prozent hingegen die Sorge über steigende Lebenshaltungskosten. Sie war fünf Jahre lang in Folge die liebste Angst der Deutschen, schlägt bei der krisenbedingt niedrigeren Inflationsrate nun aber mit 13 Prozentpunkten weniger zu Buche.

Trotzdem zeigen die Deutschen offensichtlich viel Gelassenheit auch in der Krise. Professor Manfred G. Schmidt von der Universität Heidelberg bescheinigt den Deutschen bemerkenswert viel Geduld: "Es ist ein Wunder, dass trotz kapitalem Absturz der Wirtschaft um 6 Prozent Ruhe im Land herrscht." Denn trotz einer Zu- oder Abnahme bei einzelnen Sorgen ist das durchschnittliche Angstniveau in Deutschland nicht gestiegen: Es liegt seit drei Jahren in Folge bei 44 Prozent. Für Schmidt ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr die Bevölkerung in Deutschland dem Krisenmanagement der Regierung vertraut: "Das wirkt beruhigend."

Auch der Eindruck, dass von Parteien über Gewerkschaften bis zu Arbeitgeberverbänden zur Krisenbewältigung mehr oder weniger an einem Strang gezogen werde, trüge dazu bei, Panik zu vermeiden. Traditionell honoriere man in Deutschland politische Stabilität - "wenn Parteien richtig streiten, geht die Angst nach oben". Wenig Illusionen machen sich die Befragten jedoch darüber, wer die krisenbedingt höheren Staatsschulden eventuell bezahlen muss: So fürchten sich 63 Prozent davor, dass die Sozialleistungen gekürzt werden.

Auffällig ist, dass die Angst vor einem allgemeinen Anstieg der Arbeitslosigkeit die Deutschen mehr beunruhigt (65 Prozent) als die Sorge, den eigenen Job zu verlieren - das befürchten nämlich "nur" 48 Prozent. "Die Bevölkerung registriert, dass sich die Krise auf bestimmte Sektoren konzentriert", erklärte Schmidt. Nicht alle fühlten sich betroffen, zudem gebe es ein großes Vertrauen in Maßnahmen wie die Kurzarbeit und das existierende Wohlstandspolster. Deutliche Unterschiede gibt es allerdings in Ost und West bei der Angst um den Job: In den neuen Bundesländern liegt die Sorge um Beruf und Einkommen 12 Prozentpunkte höher als im Westen.

Dauerbrenner im Angstbarometer bleiben die Umweltängste: Sie rangieren mit 56 Prozent an vierter Stelle, haben im Vergleich zum Vorjahr jedoch um 2 Prozentpunkte abgenommen.

Die persönlichen Sorgen plagen die Bevölkerung im Schnitt weniger als noch vor einem Jahr: Zwar hat mehr als die Hälfte (54 Prozent) Angst davor, im Alter zum Pflegefall zu werden, doch Ängste vor Vereinsamung im Alter oder schweren Erkrankungen haben leicht abgenommen und rangieren auf den hinteren der sechzehn ermittelten "Angstplätzen". Am wenigsten fürchtet man sich in Deutschland vor einem Zerbrechen der eigenen Partnerschaft: Diese Sorge treibt nur 16 Prozent um.

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