Stadtwerke: Die Zukunft ist sonnig, windig und nass

Mit einem eigenen Anbieter von Ökostrom will Hamburg dem Kohle- und Atomkonzern Vattenfall Kunden in Norddeutschland abjagen.

Saubere Energie: Das soll Hamburgs neuer Stromversorger liefern. Bild: dpa

Dagmar Berghoff ist die Erste. Niemand habe sie überreden müssen, Kundin bei Hamburg Energie zu werden, beteuert die ehemalige Chefsprecherin der Tagesschau. "Das hat mich sofort überzeugt. Wir alle müssen was für unsere Zukunft tun", sagt Berghoff bei der Präsentation des neuen Stadtwerks Hamburg Energie, das dem Monopolstromer Vattenfall Konkurrenz machen soll. Die Vorstellung findet in einem Restaurant an der Außenalster statt, damit die Journalisten "die Zukunft sehen können", wie Moderatorin Inka Schneider schwärmt: "Sonne, Wasser, Wind."

Hamburg Energie liefert ab sofort für Hamburg und das Umland zwei Sorten umweltfreundlichen Stroms "ohne Kohle und Atom", wie die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk betont: "Tor zur Welt" besteht zu 91 Prozent aus Strom aus österreichischen Wasserkraftwerken, der Rest kommt aus Kraft-Wärme-Kopplung. Der Arbeitspreis liegt bei 19 Cent pro Kilowattstunde (kWh), der Grundpreis bei 6,19 Euro im Monat. Vollständig aus norddeutschem Windstrom besteht der Tarif Horizonte für 21,6 Cent/kWh bei gleichem Grundpreis. Solide Berechnungen für den Hausgebrauch sind nur individuell möglich (siehe Kasten).

Die Gründung des Energieversorgers war im April 2008 im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vereinbart worden, weil vor allem die Grünen Vattenfall samt seinen Atom- und Kohlekraftwerken Konkurrenz machen wollten. "Wir müssen energiepolitisch grundsätzlich umsteuern", sagt Hajduk. Und dazu gehöre der Gestaltungsanspruch einer Stadt, die vor Jahren ihre Elektrizitätswerke an den schwedischen Staatskonzern Vattenfall und die Gaswerke an den deutschen Multi Eon verscherbelt hat und dies inzwischen nachhaltig bedauert.

Bei Ökostrom sind Zertifikate und Gütesiegel zu beachten.

Ökostromzertifikate garantieren die Herkunft und die Zusammensetzung des Stroms. Sie können aber gekauft werden und sagen nichts über die ökologische Qualität des Angebots aus. Darunter kann zum Beispiel auch Strom aus landschaftszerstörerischen Riesenwasserkraftwerken sein.

Gütesiegel geben verlässliche Auskunft über die ökologische Zusammensetzung des Stroms. Die schärfsten Kriterien erfüllt das Label "Grüner Strom". Ein Nachweis fiktiver Stromlieferungen durch Zertifikate wird nicht anerkannt.

Als grüner Strom gilt Elektrizität aus ausschließlich regenerativen Quellen: Sonnenenergie, Windkraft, Kleinwasserkraftwerke, Biomasse, Klärgas und Geothermie.

Jederzeit 100-prozentigen Ökostrom bieten vier Firmen bundesweit an: Greenpeace Energy und Lichtblick (beide Hamburg), Naturstrom (Düsseldorf) und die Energiewerke Schönau (EWS).

Preisvergleiche am einfachsten unter http://www.verifox.de/, Wechsel zu Hamburg Energie unter http://www.ich-schliess-mich-an.de/.

Deshalb freut sich Bürgermeister Ole von Beust (CDU) doppelt über Hamburg Energie. Es sei ein wichtiger Schritt, um die Klimaschutzziele Hamburgs zu verwirklichen. Überschüsse würden "in der Region wieder investiert und nicht in fremde Taschen fließen".

Der Versorger, eine 100-prozentige Tochter der städtischen Hamburger Wasserwerke, muss kurzfristig Ökostrom selbst erzeugen. Zwei Windräder im Hafen, die den Bedarf von 8.000 Haushalten decken können, sollen nächstes Jahr in Betrieb genommen werden. Beteiligungen an Windparks in der Region sowie offshore in Nord- und Ostsee werden angestrebt. "Energie aus der Region für die Region" sei das kurzfristige Ziel, sagt Geschäftsführer Michael Beckereit.

In absehbarer Zeit will die Stadt Großkunde bei ihrer Enkelfirma werden. Ende nächsten Jahres laufen mehrere Verträge mit Vattenfall über Stromlieferungen für Behörden und öffentliche Gebäude im Volumen von etwa 50 Millionen Euro pro Jahr aus. Hajduk lässt durchblicken, dass ein Wechsel zu Hamburg Energie ihre Sympathien hätte: "Aber wir müssen das auch nach den offiziellen Wettbewerbskriterien prüfen." Auch ein Wechsel des Gasversorgers kommt in Betracht. Ab 2014 laufen zudem die Konzessionsverträge über die Gas-, Strom- und Fernwärmenetze mit Vattenfall und Eon Hanse aus. "Das ist alles in Arbeit", versichert Hajduk.

Die Umweltsenatorin kündigt an, am Nachmittag zu Hamburg Energie wechseln zu wollen. Der Bürgermeister will erst noch die Tarife vergleichen. "Wenn das preislich hin kommt," versichert von Beust, "bin ich dabei."

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