Bleiberecht in Deutschland: Flüchtlinge zurück in der Duldung

Von der Altfallregelung für langjährig geduldete Flüchtlinge profitieren nur wenige. Erste Zahlen aus dem Innenministerium zeigen, dass viele ihr Bleiberecht auf Probe wieder verlieren werden.

Nur 35.000 Flüchtlinge haben eine Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Bleiberechtsregelung bekommen. Bild: ap

BERLIN taz | Weit mehr als zehntausend Flüchtlinge, die durch die 2007 beschlossene Altfallregelung für langjährig Geduldete eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe bekommen haben, droht zum Jahresende der Rückfall in die Duldung. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor, die der taz vorliegt.

Danach haben gut 35.000 Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Bleiberechtsregelung bekommen und damit weit weniger, als von der Bundesregierung in Aussicht gestellt wurde. Über 28.000 von ihnen - also fast drei Viertel - bekamen die Aufenthaltserlaubnis nur auf Probe. Sie konnten bislang ihren Lebensunterhalt nicht selbstständig bestreiten. Hat sich das zum Jahreswechsel nicht geändert, fallen sie zurück in die Duldung - eine zeitlich befristete Aussetzung der Abschiebung, die alle paar Monate verlängert werden muss.

Nach den Angaben aus dem Bundesinnenministerium können lediglich gut 40 Prozent der Betroffenen damit rechnen, dass ihre Aufenthaltserlaubnis verlängert wird. Sie beziehen keine Sozialleistungen. Für eine etwa ebenso große Gruppe sieht es schlecht aus: Wer hierzu gehört, bestreitet seinen Lebensunterhalt zum großen Teil aus Sozialleistungen. Die Aufenthaltserlaubnis wird wahrscheinlich nicht verlängert. Bei den verbleibenden 15 Prozent ist die Lage unklar: Sie erhalten geringere, ergänzende Sozialleistungen.

Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Denn Grundlage ist eine "stichprobenartige Erhebung zum Sozialleistungsbezug bei den Ländern", die das Innenministerium durchgeführt hat. Daran haben nur zwölf Bundesländer teilgenommen, lediglich jeder achte Fall wurde berücksichtigt. Die Zahlen können daher nur eine erste Tendenz anzeigen.

Die große Koalition hatte im Jahr 2007 die Bleiberechtsregelung beschlossen, um den über 100.000 langjährig Geduldeten hierzulande eine Perspektive zu geben und Kettenduldungen zu verhindern. Anträge von Grünen, Linken und FDP, angesichts der Wirtschaftskrise die Frist für die Aufenthaltserlaubnis auf Probe zu verlängern, waren vor der Sommerpause im Bundestag vor allem am Widerstand der Union gescheitert. Die SPD, die laut eigenen Angaben zwar inhaltlich mit der Opposition übereinstimmt, hatte gemeinsam mit dem Koalitionspartner gegen die Anträge gestimmt.

Das Innenministerium will "auf der Grundlage valider Zahlen im Herbst" - und damit nach der Bundestagswahl - entscheiden, ob Handlungsbedarf besteht. Der grüne Migrationspolitiker Josef Winkler hält dieses Abwarten für "verantwortungslos": "Die betroffenen Menschen fallen zurück in die Duldung und sind von Abschiebung bedroht."

Die Grünen verweisen zudem darauf, dass fast 20.000 Menschen hinzugekommen sind, die inzwischen - nach dem Stichtag der Bleiberechtsregelung - mindestens sechs Jahre mit befristeten Duldungen in Deutschland leben. Das Problem der Kettenduldungen bleibt.

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