EM-Finale im Frauenfußball: Deutschland fegt England vom Platz
Die deutschen Fußballfrauen bleiben die Königinnen des europäischen Fußballs. Im Finale in Helsinki ließen sie den englischen Spielerinnen keine Chance.
HELSINKI taz | Das Transparent war schön zentral postiert. Genau in der Mitte der Gegentribüne, dort wo die finnische Spätsommersonne die Menschen immerhin bis Mitte der ersten Halbzeit richtig wärmte, hing das weiße Laken – und gefährlich rote Farbe hatten die Autoren für ihre pfiffige Botschaft sehr passend auch noch benutzt.
"10.9.09 - England's Nightmare" stand da geschrieben, wobei das "Night" sorgfältig durchgestrichen und durch die vier Buchstaben NEID ersetzt worden war. Beim Schlusspfiff des EM-Finals zwischen England und Deutschland prangte der Spruch noch immer auf der Tribüne – und die DFB-Auswahl mit Cheftrainerin Silvia Neid war, wie schriftlich angekündigt, tatsächlich zum Albtraum für die Engländerinnen geworden.
Ein echter Tiefschlag war die 6:2-Flut von Helsinki, ausgelöst durch die deutschen Fußballerinnen, für die Kickerinnen von der Insel. Die Gegner der deutschen Fußballerinnen sind Kummer ja gewöhnt – der gestrige Titelgewinn der DFB-Elf war schließlich der fünfte in Folge. Aber nicht an solche, zumal in einem Finale.
Andererseits war die erfolgreiche Verlängerung des Abonnements zumindest eine Stunde lang alles andere als ein Kinderspiel. "Ein Duell auf Augenhöhe" hatte Bundestrainerin Neid prophezeit – nach ihrem ersten EM-Titel auf dem Chefsessel klang das dann so: "Mit acht Toren, mit einem 6:2, hätte ich bei zwei so guten Mannschaften niemals gerechnet."
Im Gegensatz zu den Norwegerinnen, die der DFB-Elf im Halbfinale vor allem mit enormem körperlichem Einsatz das Fußballerinnenleben eine Halbzeit lang zur Hölle machten, hatten die Spielerinnen aus England neben ihrer starken Physis auch reichlich Tempo und Spielwitz zu bieten.
Die erste aufregende Szene – ein Freistoß der Engländerin Fara Williams einen Meter neben das Tor (9.) – resultierte noch aus einer Standardsituation. Anschließend jedoch kam so richtig Fluss ins Spiel – und die Neid-Elf machte als erste Ernst.
Über Linda Bresonik, die nach der Hereinnahme von Simone Laudehr aus dem defensiven Mittelfeld auf die rechte Verteidigerposition verpflanzt wurde, trugen die erfolgreichen Titelverteidigerinnen einen schnellen Angriff vors englische Tor, den Birgit Prinz nach einem Pass von Inka Grings zum 1:0 nutzte. Es war der allererste Treffer der verunsicherten Rekordnationalspielerin bei diesem Turnier – und die Erleichterung war der 31-Jährigen deutlich anzusehen.
Ihre vorangegangene Torlosigkeit, die ihr medial ordentlich unter die Nase gerieben worden war, sei ihr am Ende einerlei gewesen, behauptete die Frankfurterin. "Im Viertelfinale war die Sache mit den Toren noch wichtiger für mich gewesen", rekapitulierte die Spielführerin der DFB-Auswahl: "Jetzt vor dem Finale stand ich darüber."
Prinz machte den wichtigen Anfang, und Melanie Behringer kümmerte sich um die Fortsetzung. Nur zwei Minuten nach dem ersten Tor nutzte die Mittelfeldspielerin den Leichtsinn der zu weit vor ihrem Tor postierten Keeperin Rachel Brown schamlos aus. Doch mit dem üblichen Gang der Dinge überhaupt nicht einverstanden war speziell eine Frau: Kelly Smith, die Topspielerin der Engländerinnen, die ihr außergewöhnliches Können nur weitere zwei Minuten nach dem Behringer-Coup unter Beweis stellte.
Auf der linken Seite narrte Smith hintereinander die deutschen Defensivkräfte Annike Krahn und Bresonik, schob den Ball Torhüterin Nadine Angerer auch noch frech unter dem Leib durch, so dass Karen Carney mühelos zum Anschlusstreffer einschießen konnte. Dann ging es in die nicht minder unterhaltsame zweite Halbzeit, in der die 19-jährige Kim Kulig den alten Torabstand zunächst wieder herstellte (50.).
Den gleichen Job übernahm für England danach die unermüdliche Kelly Smith mit dem 2:3 (55.). Sieben Minuten nach dem Smith-Treffer erzielte Grings per Kopf ihren fünften Treffer bei dieser Endrunde.
Nach dem 4:2 fehlte den Engländerinnen offenbar die Kraft noch einmal das Spiel herumzureißen. Und so fiel der Sieg der Deutschen vielleicht etwas zu hoch aus.
Denn elf Minuten später machte die Duisburgerin Grings noch das 5:2 (ihr persönlich sechstes Tor im Turnier). Die Engländerinnen waren inzwischen in ihre Einzelteile zerlegt – und wie sie da so lagen, durfte Birgit Prinz mit dem 6:2 in der 76. Minute den Albtraum schließlich vollenden.
Leser*innenkommentare
Luise
Gast
Ich finde es ebenso müßig, Spiele der Männer und Frauen zu vergleichen. Schon im Schulsport werden auf Grund der körperlichen Voraussetzungen bei einem 2000 Meter Lauf die Zeiten für Jungen und Mädchen ganz anders gesetzt. Das ist auch nur verständlich, denn jeder Siebzehnjährige könnte im Sprint eine Birgitt Prinz überholen. Und wie es bereits erwähnt wurde, lässt man Volleyballerinnen auch nicht gegen Volleyballer antreten. Warum offensichtlich nur im deutschen Fußball diese Vergleiche immer wieder herangezogen und durchgekaut werden, ist vielleicht einer starken gesellschaftlichen Verankerung zu verdanken. Fußball ist nun mal Popularitätssport und welcher "wahre" Fußballfan lässt sich von einem siebenmaligen Europameister in die Schranken seines Männerclubs verweisen?
Frauenfußball und Männerfußball sind zwei verschiedene Sportarten. Möglich wäre es doch, sie auch gleichwertig in die Berichterstattung einzugliedern und Sinnloskritiken zu vermeiden. Es beschwert sich ja auch niemand über Sackgekratze und Rumgespucke auf dem Spielfeld. Das hätte nämlich das gleiche Niveau wie der Vergleich einer Damenmannschaft mit der Herrenoberliga.
cori
Gast
jaja, männerfussball is so viel besser... wer würde denn auf die idee kommen, die deutschen handballer gegen ne frauenmannschaft spielen zu lassen? oder rafa nadal gegen ivanovic? da wird auch nicht immer verglichen. es ist ja wohl jedem klar, dass männer ganz anders gebaut sind und daher auch über ne andere athletik verfügen. naja, und wer das nicht weiß... :-D
Staatsbürger
Gast
@ Christopher
Ich vermute mal, dass die kulturell starke Gleichberechtigung (nicht die wohlfahrtsstaatliche) die deutschen Fussballerinnen bei 80 millionen Einwohnern einfach stärker machen als andere Länder. Die Skandinavierinnen sind zwar kulturell und wohlfahrtsstaatlich unsagbar gleichgestellter, dafür sind die Länder viel kleiner.
Über die direkt beteiligten Menschen und Institutionen kann ich nichts sagen.
scardanelli
Gast
@Norbert
"Singprämie" - ich dachte, die hätten die Prämie fürs Spielen und Siegen bekommen ... ;-)
Aber Scherz beiseite: Auch wenn du subjektiv den Frauenfußball für "attrkativer" hältst (ich nicht, weil er technisch nicht so versiert und auch nicht so schnell ist wie der Männerfußball), er ist definitiv Klassen schlechter, da hat es auch mal Vergleiche gegeben, vor ein paar Jahren haben unsere "Weltmeisterinnen" gegen die B-Jugend(!) des VfB Stuttgart in einem 45-Minuten Kurzmatch (1 Halbzeit) 0:3 verloren, also gegen 16-jährige Jungs, die nichtmal eine Deutschland-Auswahl waren.
Was den Frauenfußball oft interessanter macht, ist eigentlich ein Defizit: die Abwehrreihen sind im Vergleich zum Männerfußball offen wie Scheunentore, sowohl vom Stellungsspiel, als auch von der Härte und körperlichen Präsenz der Verteidiger (auch kaum Fouls) - deshalb kommen die Angriffe öfter durch und es gibt mehr Torszenen --- aber vom Niveau ist es höchstens Männer-Oberliga, also fünftklassig ...
Und dafür (gleicher Lohn für gleichWERTIGE Arbeit wird ja gefordert) sind die Frauen eindeutig "überbezahlt" im Vergleich, aber ich gönne es ihnen und bin auch stolz, dass unsere Frauen besser sind als alle anderen in Europa (gegen Brasilien bei der Wm wird ja wohl wieder spannend ;-)
Christopher
Gast
Also mich würde ja mal ein Artikel darüber interessieren, warum die deutschen Frauen derartig überragend sind. Ich will keinesfalls herumkritteln und bin auch kein großer Anhänger der Männermanschaft, aber 5 Europameisterschaftssiege in Folge und eine Bilanz von nur 61 Niederlagen bei 332 Spielen klingt irgendwie zu fantastisch, um wahr zu sein. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass in Dt. bessere Bedingungen (weil höhere Akzeptanz) herrschen, als in anderen Ländern?!
Norbert Freitag
Gast
Seit Jahren ist für mich der Frauenfußball der attraktivere Fußball, so auch jetzt wieder das EM-Endspiel. Herzlichen Glückwunsch!
Eine Schande ist nur die mickrige Singprämie im Vergleich zum Männerfußball mit deren manchmal müdem gekicke, dass oft an Arbeitsverweigerung grenzt.
don
Gast
"England steckte aber nicht auf und schaffte durch Kelly Smith (55.) noch einmal den Anschluss." - Man sollte eben nie aufstecken :)