piwik no script img

Peer Steinbrück über die Zeche der Krise"Der Markt muss zahlen"

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wirbt für eine weltweite Steuer auf finanzielle Transaktionen. Er lobt Merkels Krisenstrategie - und schimpft gleichzeitig auf die Union.

"Wir sind vielleicht aus dem Gröbsten heraus" Bild: reuters
Interview von R. Bollmann und S. Kosch

taz: Herr Steinbrück, ein Jahr nach Ausbruch der Finanzkrise ist eines sicher: Es bleibt ein gigantischer Schuldenberg. Wer zahlt die Zeche für die Krise?

Peer Steinbrück: Gute Frage. Sie spielt im Wahlkampf eine große Rolle.

Den Eindruck haben wir nicht.

Doch. Jedenfalls bei mir - und auch auf internationaler Ebene. Beim Treffen der Finanzminister in London am vorletzten Wochenende beklagte der amerikanische Kollege, dass die Einkommen in der Bevölkerung immer weiter auseinanderlaufen. Da merkt man, dass die gesellschaftlichen Kosten dieser Krise durchaus ein Thema sind.

Und was ist Ihr Vorschlag? Wie bezahlen wir die Rechnung?

Es stellt sich die Frage, ob wir die Rechnung allein den Bürgerinnen und Bürgern präsentieren oder ob wir es schaffen, dass auch die Finanzmärkte bezahlen. Ich setze mich zusammen mit Frank-Walter Steinmeier für eine internationale Steuer auf alle finanzielle Transaktionen ein.

PEER STEINBRÜCK

Peer Steinbrück, 62, ist seit 2005 Bundesfinanzminister der großen Koalition und stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Zwischen 1998 und 2002 war er Mitglied des Regierungskabinetts in Nordrhein-Westfalen, zunächst als Minister für Wirtschaft und Mittelstand, dann leitete er das Finanzressort. Von 2002 bis 2005 war er Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Steinbrück ist Diplomvolkswirt. Sein bevorzugtes Hobby ist das Schachspiel. Gegen den damaligen Weltmeister Wladimir Kramnik verlor er 2005 in einem Schaukampf nach 37 Zügen.

Also sind Sie nun doch für die lang geschmähte Tobinsteuer?

Nicht ganz, schauen Sie in das Regierungsprogramm der SPD. Die ursprüngliche Tobinsteuer richtete sich auf Transaktionen mit Devisen, um Währungsspekulationen zu verhindern. Wir wollen eine breitere Grundlage, damit es nicht zu Ausweichreaktionen kommt. Und je breiter die Grundlage, desto niedriger kann der Steuersatz sein. Wir halten einen Steuersatz von 0,05 Prozent für möglich, damit könnten nach Deutschland 10 bis 20 Milliarden Euro pro Jahr fließen. Das entlastet die Steuerzahler.

Wird das ein Thema sein auf dem G-20-Gipfel in Pittsburgh nächste Woche?

Sie müssen sich genau überlegen, wie Sie im Kreis der G 20 die Debatte anfangen. Wenn Sie sofort über dieses einzelne Instrument reden, dann machen nur diejenigen mit, die das sowieso schon diskutieren. Aber wenn die weltweit entscheidenden Player nicht mitmachen, können Sies vergessen. Deshalb müssen wir erst über die Ziele reden. Diesen Prozess in Gang zu setzen wäre der Schweiß in Pittsburgh wert.

Das Interview ist der taz-Sonderausgabe zu einem Jahr Lehmann-Pleite entnommen. Bild: taz/ap

Die Briten und Amerikaner werden da niemals zustimmen.

Die USA sind während der vergangenen zwölf Monate bereit gewesen, die Lernkurve erstaunlich weit mitzulaufen. Bei den Briten spüren Sie dagegen eine verfestigte Haltung, die Privilegien der City of London zu verteidigen. Wenn wir auf internationaler Ebene überhaupt nicht vorankommen sollten, schlagen wir die Börsensteuer für Deutschland vor. Die gibt es in Großbritannien schon seit 1694. Wenn CDU und CSU weiter blockieren, legen sie alle Lasten auf die Schultern der Steuerzahler.

Zu den Boni für Manager haben die Finanzminister bereits Vorschläge gemacht. Wird es in Pittsburgh Beschlüsse geben?

Die Chance ist hoch. Wir haben zum ersten Mal eine Limitierung. Nicht absolut, aber in einem festen Verhältnis zwischen Grundgehalt und Bonuszahlungen. Auch hier wäre die CDU glaubwürdiger, wenn sie die Blockade in Deutschland aufgeben und mit uns die steuerliche Abzugsmöglichkeit von Boni begrenzen würde.

Sie reden von einer Lernkurve. Läuft Ihnen nicht die Zeit davon, wenn der Schock der Krise langsam abebbt?

Das glaube ich nicht. Die Haltung der Kollegen ist: Wir lassen uns von Lobbyinteressen nicht beeindrucken. Eine Rückkehr zur angeblichen Normalität wird es nicht geben.

Das sehen die Bankmanager anders. Die sagen: danke für die Staatshilfen, aber bitte keine weitere Regulierung.

Die Tendenz gibt es. Der Zentrale Kreditausschuss der deutschen Banken ist zum Beispiel der Auffassung, dass wir die geplante Verschärfung der Eigenkapitalregeln nach der Krise nicht so ernst nehmen sollten. Da bekommt man den Eindruck: Kehre zurück auf Los, ziehe zwar keine 4.000 Mark ein, aber mache so weiter wie bisher à la Monopoly-Regeln. Der Chef der britischen Finanzmarktaufsicht, der eine internationale Transaktionssteuer ebenfalls ins Spiel gebracht hat, wird zurückgepfiffen. Dann gibt es auch den Lobbydruck der Wall Street auf den US-Kongress. Da bin ich ganz froh, dass ich in Deutschland sitze.

Um den Einfluss der Bankenlobby gibt es auch hier Diskussionen, zuletzt anlässlich des Abendessens von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Kanzleramt. Zieht die Kanzlerin mit Ihnen an einem Strang?

Wir haben gut zusammengearbeitet. Dazu gibts auch im Wahlkampf von mir keine Distanzierung. Auf der internationalen Ebene gibt es eine hohe Übereinstimmung. Auf der nationalen Ebene versucht allerdings ihre eigene Partei, einiges wieder herunterzukochen. Das habe ich bei den Bonuszahlungen erlebt. Ich bin sehr gespannt, ob die Union die Verordnung gegen Steuerhinterziehung diesen Freitag unverändert im Bundesrat passieren lässt. Da gab es ja auch eine Hinhaltetaktik. Wenn nicht, mache ich im Wahlkampf Feuer.

Dann greifen Sie die Kanzlerin persönlich an?

Ich habe keinen Grund, mit Frau Merkel einen persönlichen Streit anzufangen. Mir geht es um Inhalte und um die Kongruenz der nationalen mit der internationalen Ebene.

Aber eine Finanzmarktsteuer kriegen Sie doch eher mit Ihrem US-Kollegen durchgesetzt als mit den Leuten von der CDU?

Abwarten. Sie haben ein zu statisches Bild von Politik. Es gibt einen zynischen Satz des französischen Gesandten Talleyrand auf dem Wiener Kongress: Hochverrat ist eine Frage des Datums. Sie können auch die marxistische Version nehmen: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Dieses Sein hat sich in der Krise fundamental verändert. Für die Konservativen genauso wie für uns.

Sie werden eines Tages wie Heiner Geißler bei Attac eintreten?

Das würde nicht zu mir passen. Aber es wäre ein Fehler, diese Leute falsch einzuschätzen. Sachlich sind sie gut präpariert. Sie sind nur unerfahrener, was die Umsetzung in praktische Politik betrifft. Manche Ausdrucksformen des Protestes akzeptiere ich auch nicht. Bei G-20-Treffen demonstrieren die Attac-Leute gegen Politiker, die ihre Zielsetzung im Grunde teilen.

Groß geworden sind diese Bewegungen, als Rot-Grün die Märkte liberalisiert hat.

Es ging uns nie ums Prinzip. Es ging immer um Fragen von Nützlichkeit. Im einen Fall mag Privatisierung sinnvoll sein, im anderen nicht. Ich habe das immer pragmatisch gesehen, auch wenn ich weiß, dass es ideologische Positionen dazu gibt. Allerdings auch auf der linken Seite.

Die Börsenumsatzsteuer wird nicht ausreichen. Werden die Steuern erhöht, die Sozialleistungen gekürzt?

CDU/CSU und FDP versprechen Steuersenkungen und Wohltaten. Da soll ich der nützliche Idiot sein, der kurz vor der Bundestagswahl die schlechten Nachrichten bringt? Das ist nicht die Rolle, die ich mir vorgenommen habe. Die SPD operiert mit klaren Gegenfinanzierungen: Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Finanzmarktsteuer und konsequente Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Entsprechendes erwarte ich von der politischen Konkurrenz auch.

Sie sind doch auch für einen ehrlichen Wahlkampf.

Trotzdem lasse ich mich nicht jagen. Natürlich wird es zu einer Konsolidierung kommen müssen, bei den Ausgaben wie bei den Einnahmen. Das Einzige, was ich ausschließe, betrifft die Mehrwertsteuer. Nach dem Glaubwürdigkeitsverlust von 2005 wird man den Regelsatz nicht noch mal erhöhen können.

Zur Ehrlichkeit gehört auch die Frage, wie es mit der Krise weitergeht. Ist sie schon vorbei?

Die Krise ist nicht vorbei, aber wir sind vielleicht aus dem Gröbsten heraus. Durch das Instrumentarium, das wir in den letzten zwölf Monaten geschaffen haben, wird keine systemrelevante Bank mehr zusammenbrechen. Die Zweitrundeneffekte vor allem am Arbeitsmarkt und vielleicht auch bei der Kreditversorgung machen mir aber noch Sorgen.

War die große Koalition in der Krise ein Glücksfall?

Wenn in zehn Jahren jemand ein Buch über die Krise schreibt, dann wird er das vielleicht für eine glückliche Fügung halten. Stellen Sie sich vor, es hätte Schwarz-Gelb regiert, etwa mit Herrn Brüderle oder Herrn Solms als Finanzminister.

Sie fänden es gut, wenn es bei der großen Koalition bleibt?

Das ist nicht die Präferenz der beiden großen Parteien. Unsere nicht und von der Union auch nicht. Aber im Licht konkreter Wahlergebnisse wird man Mehrheiten bilden müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • JK
    Juergen K.

    Wie sollen denn die Banken das geld an die Arbeitsagentur überweisen.

     

    Da gibt es dorch garkeinen Verwendungszweck !

  • G
    Gott

    Peer Steinbrück ist der einzige Minister der aktuellen Regierung den ich für kompetent halte und etwas zutraue.

     

    Das reicht aber leider nicht aus, um die SPD zu wählen.

     

    Die Steuer auf alle Transaktionen finde ich blödsinnig. Stattdessen sollten sie erstmal eine Steuer von je 1% einführen für Transaktionen aus/in alle Länder die bei Steuerbetrug nicht vernünftig mitarbeiten (Schweiz, Luxemburg,...), die Todesstrafe anwenden (USA, China, Japan,...) oder stark gegen Menschenrechte verstoßen (China, Iran,...). Das würde Einnahmen produzieren und gleichzeitig die Welt zu einem besseren Fleck machen...

  • A
    Andreas

    Dieser Minister hat in seinem Rettungspaket für die Finanzbranche Jahresgehälter von 500.000 EURO genehmigt. Das bedeutet, dass der Vorstand der Commerzbank während der Rettung durch den Staat noch ein absolutes Supergehalt beziehen kann. Und dieses Gehalt muss nicht zurückgezahlt werden - es gibt es frei Haus - auf Kosten der Steuerzahler.

    Und da frage ich mich, wo die Gerechtigkeit bleibt: Verliert ein Opel-Arbeiter oder eine Karstadt/Hertie-Verkäuferin ihre Arbeit gibt es bereits nach 12 Monaten Arbeitslosengeld II (Volksmund Hartz) und das sind 351 EURO. Diese Kollegen müssen dann auch häufig aus ihren Wohnungen umziehen und erhalten keine richtigen und effektiven Hilfen durch die ARGEn (eigenltich sind sie verfassungsfeindlich).

    Aber bei Peer Steinbrück gibt es für Menschen, die ihre Arbeit nicht gut gemacht haben, 500.000 EURO Jahresgehalt. Soviel haben einige Opel-Arbeiter in ihrem ganzen Leben nicht verdient.

    Dieser Mann ist kein Sozialdemokrat, kein Linker, sondern einfach nur ein Organisator eines inhumanen, zynischen und kaputten Kapitalismus. Die Methoden von ATTAC sind übrigens extrem friedlich und menschlich, sieht man sich die Methoden der SPD und von Steinbrück an. Und nehmen würden die ihn wohl auch nicht - der Weg eines Geislers ist nicht einfach kopierbar.

    Außerdem hofft Steinbrück auch im Jahr 2010 mit seiner asozialen Politik der doppelten Standards weitermachen zukönnen.

  • J
    JazzRaimund

    Ganz ab vom diskussionswürdigen Artikel bzw. den Inhalten der Aussagen sollten hier doch bitte nur Leute schreiben dürfen, die Steinmeier von Steinbrück (ja, das sind zwei unterschiedliche Personen) unterscheiden können...ist ja hochnotpeinlich.

  • A
    Axel

    Auf zu neuen, sozialen und gerechten Ufern:

    "Steinbrück wirbt für Große Koalition

     

    SPD-Vize Peer Steinbrück hat sich beim "Baumwallgespräch" für eine Fortsetzung der Großen Koalition ausgesprochen. Besonders lobende Worte fand der Finanzminister für die Kanzlerin. "

    http://www.stern.de/wahl-2009/bundestagswahl-steinbrueck-wirbt-fuer-grosse-koalition-1509110.html

  • R
    RedDevil

    Genosse Peer,

    ich hab von den Gewinnen nicht profitiert,

    ich werde als "nächste Generation" euren Abfall nicht bezahlen!

     

    Das dürft ihr in der nächsten Runde Große Koalition schön den Kapitalisten ans Bein binden.

     

    Jede Alternative lässt mich schnell in die weimarer-Zeit schauen.

     

    Vor allem welcher Kaufmann bürgt schon für jemanden, dem er nicht zu 100% vertraut, aber es waren ja nur

     

    500 000 000 000€ !

     

    sozialistische Grüße

     

    RedDevil

  • A
    Axel

    Bei der SPD ist inflationäres Links-Blinken ausgebrochen.

    Nach der Wahl gehts als Juniorpartner der CDU dann wieder sittsam und geordnet mit Fahren auf der rechten Seite weiter.

    Aber es gibt ja noch genügend Medienvertreter, die das Bild der SPD als linke Partei pflegen.

  • DD
    Dieter Drabiniok

    Nun kloppt mal nicht so heftig auf den Steinbrück ein: schließlich ist er der erste BunFinMin, dessen Sprüche hin und wieder steuerfreie Lacher produzieren.

    Ob sein Feuer, dass er ggf. ab Freitag im Wahlkampf anzünden will, höher lodert als drei übereinander liegende Streichhölzer, bleibt allerdings abzuwarten. Es ist beeindruckend, dass auch er schon gemerkt hat, dass Wahlen anstehen. Offensichtlich wird Steinbrücks Bewusstsein vom Sein nicht be-, sondern verstimmt.

  • J
    Johannes

    So spricht ein echter Showpolitiker, der sich ganz auf das Wählerkurzzeitgedächtis verlässt. Links blinken, rechts abbiegen. Teflon-Steinmeier hat in seinem Zuständigkeitsbereich dereguliert, privatisiert, steuerbeschenkt, was das Zeug hält. Er steht als Brandstifter der neoliberalen Ideologie da und verkauft sich nun als Feuerwehrmann - für wie blöd hält der Mann uns eigentlich ? Natürlich wird er weiter als Diener seiner Herrn in der Finanz"industrie" und Wirtschaftsoligopole agieren - und wenn er abgewählt werden sollte, macht er den Clement.

    Igitt!

  • AB
    ah be ce

    Ich hoffe doch sehr, die Wahl geht so aus, dass ich Herrn Steinbrück und sein unsägliches Gequatsche nicht mehr sehen, hören oder lesen muss. Für den gilt doch, "never met a tax he didn't like".

  • JK
    Juergen K.

    Im Übrigen, Herr Steinmeier,

     

    wenn in der Welt nichts durchsetzbar ist, dann setzen Sie doch mal was in Europa durch.

     

    Und wenn da nicht, dann in Deutschland.

     

    Und wenn da nicht, dann sind sie überflüssig.

  • JK
    Juergen K.

    Hallo Herr Steinmeier,

     

    teilten die Politiker die Attack - Forderungen, würden sie sie erfüllen.

     

    Aber Sie meinten sicher, die Politiker teilen die Forderungen auf.

    Wie etwa Verluste und Gewinne der Sozialen Marktwirtschaft.