Musikkonferenz all2gethernow: "Vernetzt euch!"

Auf der Musikkonferenz all2gethernow treffen sich Profis wie Amateure, um über die Zukunft der Industrie zu diskutieren. Klar ist, dass das Internet viel mehr Positives als Negatives beiträgt.

Nicht Feind, sondern Zukunft der Musikindustrie: Das Internet. Bild: screenshot/twitter.com

Die Berliner Popkomm, soviel dürfte bereits bekannt sein, fiel in diesem Jahr aus. Die fadenscheinige Erklärung der Veranstalter der Profi-Musikmesse: Das Internet habe den Labels derart böse mitgespielt, dass die sich in Zeiten der Krise große Branchentreffs nur noch ungern leisteten.

Weil die Hauptstadt für vieles bekannt ist, aber nicht fürs Aufgeben, sagten sich einige Macher aus dem Independent-Bereich: Was die Popkomm konnte, können wir schon lange. Und so wurde in dieser Woche die erste Ausgabe der all2gethernow in der Berliner Münze am Molkenmarkt, im Radialsystem V und in zahlreichen Clubs der Stadt in Angriff genommen - als Musikkonferenz von der Branche für die Branche, aber stets mit Blick auf die Kleineren, die sich bei der Popkomm eh hier und da schon lange untergebuttert vorkamen.

Schon die Struktur der auch kurz "a-2-n" genannten Veranstaltung, die übrigens insgesamt mit sehr zivilen Preisen lockte, ist eine ganz andere. So teilt sich die Veranstaltung in drei Teile: "Camp", "Conference" und "Cloud" - letzteres sind die Musikevents, die in dieser Woche überall stattfinden. Das "Camp" wiederum orientiert sich an so genannten Unconferences, die man bislang eigentlich nur aus der Web 2.0-Szene kannte.

Dabei stellen einzelne Akteure und Firmen ihre Ideen vor und entwickeln die dazu notwendigen Präsentationen quasi live: Noch am Veranstaltungstag weiß niemand, was wo abgeht, was dem Event eine ganz eigene Dynamik gibt, denn jeder ist aufgerufen, aktiv teilzunehmen. Das Camp ging bei der all2gethernow am Mittwoch und Freitag über die Bühne, am Freitag folgt die Konferenz, die die Ergebnisse des Camps formalisieren und um weitere, traditionellere Beiträge ergänzen soll.

Wer auf dem Camp war, erlebte am Mittwoch und Donnerstag kreatives Chaos. Thematisch teilweise sehr kleinteilige Präsentationen und Diskussionen in Plenumsform gaben Musikern, Labelmachern und den vielen Profis und Amateuren dazwischen die Möglichkeit, Fragen zu stellen, selbst Antworten zu geben und einen interessanten Überblick zu bekommen, wo die Szene aktuell steht.

Wie bereits erwähnt, hauten die Vertreter der traditionellen Musikwirtschaft zur Popkomm-Absage in diesem Jahr voll auf das Netz ein - ein Ritual, das sich zuletzt wieder verstärkt eingebürgert hat. Im Internet, so scheint es bei den Majors, lauert der Feind, der Nutzer, der nichts mehr für Musik zahlen will, sich nach Belieben in Tauschbörsen bedient und notfalls seinen - in vielen Jobs inzwischen lebensnotwendigen - Internet-Zugang gekappt bekommen muss, sollte er dabei einmal zu oft erwischt werden. (Entsprechende Pläne werden gerade wiederholt in Frankreich zu implementieren versucht.)

Die all2gethernow zeigte nun genau das Gegenteil: Das Internet ist nicht der Feind, das Internet ist die Zukunft der Musikindustrie, auch wenn sie sich in den nächsten Jahren radikal wandeln muss und bereits wandelt. Sehen kann man das schon daran, dass die Musikkonferenz nahezu ausschließlich über das Netz organisiert wurde, hier gibt es alle aktuellen Infos, hier wird live (und kostenlos) von den Panels gestreamt und hier nimmt man auch an Community-Angeboten teil. "Vernetzt Euch!", lautet dabei die schlichte Devise.

Zum fundamentalen Wandel der Musikindustrie gehört auch, dass es inzwischen ein enorm großes Angebot an qualitativ hochwertigen Inhalten im Netz gibt, tagtäglich stellen Hunderte Bands neues Material kostenlos online, Profi und Amateur verschmelzen dank des technischen Fortschritts schneller, als man gucken kann. Da wird es schnell zum Problem, den Überblick zu bewahren.

Und tatsächlich, das zeigten gleich mehrere Veranstaltungen beim all2gethernow-Camp, gehört der Kampf um die Aufmerksamkeit zu den wichtigsten Fragen der nächsten Jahre. Gut sichtbar ist das an den so genannten Netlabels. Das sind virtuelle Plattenfirmen, die Musik von Bands und einzelnen Künstlern auswählen und im Netz publizieren, kostenlos zumeist, aber inzwischen kaum weniger professionell als die "Großen".

Timor Kodal, einer der Macher der Plattform Pulsar Records, bei der die Nutzer auswählen dürfen, was ins Repertoire aufgenommen wird, meint, dass sich inzwischen die Grenzen zwischen Hobby und Geschäft auflösen. "Früher waren Netlabels grundsätzlich kostenlos. Heute verkaufen einige schon ordentliche Einheiten an Vinylplatten." Der Hörer muss sie nur finden. Und gehört wird das alles fast ausschließlich im Internet und auf speziellen Veranstaltungen. "Wir machen das einfach selbst", sagt Kodal.

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