Stimmentausch bei CDU und FDP: Der Prima Deal

Im niedersächsischen Schaumburg hat der CDU-Direktkandidat dazu aufgerufen, mit der Zweitstimme FDP zu wählen. Der FDP-Kandidat wiederum vermachte seine Erststimme der CDU.

Wenn alle mit der Erststimme CDU und mit der Zweitstimme FDP wählen, regieren diese beiden bald Deutschland mit 200-prozentiger Mehrheit. Bild: dpa

Wahlkampf-Endspurt im Herbst 2009. Steinbrück turtelt mit Merkel, Künast schreibt die Ampel ab, Steinmeier eine Koalition mit der Linkspartei, und Westerwelle schmollt. Die ganze Republik schwimmt in Großer-Koalitions-Soße. Die ganze Republik? Nein, ein schwarz-gelbes Bündnis im niedersächsischen Schaumburg leistet nach wie vor Widerstand.

Die lustigen Helden heißen nicht Asterix und Obelix, sondern Christopher Wuttke und Heiner Schülke. Beide kandidieren für den Bundestag. Wuttke für die CDU, Schülke für die FDP. Letzte Woche traten die Konkurrenten in Bückeburg aus der Deckung, um "das bürgerliche Lager" vor dem Untergang zu bewahren. Wuttke erklärte, seine Zweitstimme gehe "sehr, sehr sicher" an die Partei seines Kollegen, die FDP. Schülke versicherte: "Ich werde Christopher Wuttke wählen." Anschließend verlasen die Kreisvorsitzenden Klaus Dieter-Drewes (CDU) und Paul-Egon Mense (FDP) noch eine gemeinsame Erklärung, die den Rütlischwur vollinhaltlich absegnete. Stolz und glücklich eröffnete man das Büffet.

Tags darauf begann der Katzenjammer. SPD-Landesgeschäftsführer Michael Rüter schlug mit einer Presserklärung zurück. Thema: "Die Meuterei der CDU in Schaumburg". Tenor: Dort kündige man Angela Merkel "die Gefolgschaft auf". Das Maß voll machte CDU-Urgestein Heiner Geißler, der abends in Bückeburg eine Wahlrede hielt und die FDP nach allen Regeln der Kunst in die Pfanne haute. Der Saal tobte, und bei den lokalen Christdemokraten begann es zu brodeln.

Ein Ausschlussverfahren hat die Hamburger SPD vor zwei Wochen gegen die Vorsitzende des Parteidistrikts Eimsbüttel-Nord, Carola Ensslen, eingeleitet.

Der SPD-Bundestagskandidat Danial Ilkhanipour sei für sie nicht wählbar, hatte die 48-Jährige erklärt. Ilkhanipour war im November 2008 überraschend als Direktkandidat im Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel nominiert worden - gegen den bisherigen Bundestagsabgeordneten Niels Annen.

Mit ihrer Erststimme wolle sie stattdessen den CDU-Konkurrenten Rüdiger Kruse wählen, so Ensslen, mit der Zweitstimme aber die SPD.

"Parteischädigendes Verhalten", urteilte der Hamburger SPD-Landesvorsitzende Ingo Egloff. Ensslen muss vorläufig alle Ämter ruhen lassen, der Abschluss des Parteiordnungsverfahrens wird im Herbst erwartet.

Der prominenteste Dissident ist Wolfgang Clement. Der ehemalige Chefredakteur der Hamburger Morgenpost und Bundeswirtschaftsminister hatte sich 2008 im hessischen Landtagswahlkampf gegen die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti ausgesprochen. Einem formellen Parteiausschluss war er Ende 2008 durch Austritt aus der SPD zuvorgekommen. (smv)

Drewes und Wuttke mussten wiederrufen. Zuerst war CDU-Mann Wuttke dran. Er schätze Herrn Schülke sehr, werde aber "mit beiden Stimmen die CDU wählen, da ich mir wünsche, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibt", erklärte der reuige Sünder. Sein Kreisvorsitzender Drewes wand sich dagegen wie Luther vor dem Augsburger Konzil. Ihm sei es nur darum gegangen, "eine stabile Bundesregierung und eine optimale Vertretung des Landkreises Schaumburg in Berlin zu erreichen".

Mithin sei der Aufruf, die FDP zu wählen, keineswegs eine Anstiftung zum "Stimmensplitting" gewesen. Sprachs und trotzte auf Nachfrage der taz: "Ich weiß gar nicht, was am Stimmensplitting so schlimm ist. Die roten Kanzler Brandt und Schmidt haben doch auch dazu aufgerufen."

FDP-Kreischef Mense mochte ob der Rumeierei nur den Kopf schütteln, "Ich dachte, das wäre in der CDU geklärt." Sein Ärger ist verständlich. Der Stimmentausch war ein prima Deal zur gegenseitigen Vorteilsnahme. FDP-Mann-Schülke rangiert auf Listenplatz 11. Um ihn in den Bundestag zu hieven, müssen die Liberalen in Niedersachsen via Zweitstimmen 15 bis 16 Prozent einfahren. Wuttke, als Nummer 29 der CDU-Liste völlig chancenlos, braucht jede Erststimme gegen den Sozialdemokraten Sebastian Edathy. Der hat den Wahlkreis dreimal nacheinander abgeräumt. Dass seine Aktien nach dieser Schnapsaktion gefallen sind, kann man nicht behaupten.

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