die wahrheit: Das Auge des Beelzebubs

Totale Verschiedsrichterung. Was sollen Torrichter beim Fußballspiel?

Versteckt hinter dem Pfosten wartet der neue Torrichter auf seinen großen Moment der Entscheidung. Bild: reuters

Überflüssig wie ein Kropf. Und komplett beknackt. Nicht mehr tacko. Völlig daneben und für den Hasen - die Einführung zweier Torschiedsrichter ist die neuste Spaßmaßnahme der Uefa, die der Stern im Vorfeld als "brisante Revolution", die FAZ als "neuen Hingucker" bezeichnet hatte.

Nein, nein, doch, doch, diese Herrschaften in Nyon bei Genf sind schon ausgemachte Juxbolde, allen voran ihr Oberclown Michel Platini, der dieser Tage eine ganz besonders delikate Krise in unserer von Krisen heimgesuchten, kujonierten Kasperwelt diagnostizierte: "Wir haben keine Krise des Schiedsrichterwesens, wir haben eine Krise des Nicht-Sehen-Könnens bei der heutigen Geschwindigkeit des Spiels."

Pardauz! Eine Krise des Nicht-Sehen-Könnens. Die Männer mit der Pfeife und dem Kontrollfimmel: allesamt Blinde? Wäre das was Neues?

Und wie wäre es, wenn diese allem Anschein nach ziemlich unterbeschäftigten und extrem überbezahlten Herren in Nyon irgendwann ausnahmsweise mal auf die Fachleute oder, nur so als Vorschlag, auf die Fans hörten, bevor sie, vollkommen plemplem ob all des schönen Schweizer Schnapses, den sie vermutlich während ihrer rasend spannenden Sitzungen ruhelos in sich hineintun, wieder einen Quatsch aushecken, auf Grund dessen die Frage, welche Stadt die Vorlage für Schilda abgab, wenigstens für die Gegenwart beantwortet ist?

Nicht oder fälschlich gegebene Tore sind ein Übel. Ein Chip im Ball oder eine Torkamera schüfe Abhilfe. Praktisch jeder will eine der beiden praktikablen Lösungen. Doch was verkündet - nebst seinem Schweizer Schwerkumpelino Joseph Blatter - Platini unermüdlich und tränenüberströmt: "Das wäre ein Desaster, denn der Videobeweis mit Unterbrechungen im Zweiminutentakt würde zu einem ganz anderen Spiel führen und wäre der Tod des Fußballs."

Ein Ball mit ein wenig Elektronik in seinem Inneren oder ein elektronisches Auge wäre des Beelzebubs! Der Fußball, dies wahrhaft unbefleckte, humane Treiben, "entmenschlicht"! Man möcht überhaupt nicht mehr aufhören zu heulen.

Vor der Premiere am vergangenen Donnerstag, dem ersten Spieltag der gleichfalls hochinnovativen Europa League, vor dem, wie die Süddeutsche Zeitung schrieb, "kuriosen Debüt", vor dem Start eines "der unsinnigsten Pilotprojekte in der Fußballgeschichte" jedenfalls kannte die Verwunderung keine Grenzen. Die Zeit grübelte über ein "Mysterium", die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung nannte die Aufstockung des Refereebestandes auf dem Platz eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, und wir sinnieren darüber, ob auf die Krise des Nicht-Sehen-Könnens eventuell eine Krise des Nicht-Sehen-Wollens folgt, denn sechs Schiedsrichter und zwölf Augen sind für Wettertragsvorauszahlungsentgegennahmen doch gewiss noch ein bisschen empfänglicher als vier beziehungsweise acht.

Ungeachtet dessen würden wir im Zuge der totalen Verschiedsrichterung gern je einen Benimmschiedsrichter auf den Trainerbänken, zwei Jubelschiedsrichter an den Seitenlinien mit Notentäfelchen statt Gelben und Roten Karten und einen Rhetorikschiedsrichter auf dem Rasen sehen, der die innermannschaftliche Kommunikation evaluiert und gegebenenfalls reguliert.

Um die Bevölkerungsdichte unmittelbar hinter den Toren weiter zu erhöhen, ließen sich vor dem Anpfiff zwanzig bis vierzig Zuschauer per Los bestimmen, die dann während der Partie locker wechselnde Grüppchen bilden, die nach strittigen Situationen mit den Torschiedsrichtern und involvierten Spielern das Geschehene ausdiskutieren.

Derweil das Echo auf den Tag der, so Michel Platini, "einschneidendsten Veränderung bei der Leitung eines Spiels seit hundert Jahren" gleichgültig bis verheerend ausfiel, hatte indes der DFB zuvor unter Beweis gestellt, dass recht eigentlich er der Verband ist, der stets die allerbesten Scherze in petto hat. Denn wer war von ihm ins vierköpfige deutsche Zusatzschlurischiriteam berufen worden? Exakt jener Babak Rafati, der am 8. August dem Hoffenheimer Josip Simunic im Bundesligaspiel gegen den FC Bayern ein lupenrein-glasklares Einwandfreitor aberkannt hatte.

Jetzt bitte noch Joseph Blatter zum Korruptionscontroller der Fifa, der Uefa und des DFB ernennen, und die Sache ist geritzt und perfekt. Danke. JÜRGEN ROTH

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kari

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