Klimaschutz: Kohle im Wahlkampf verpönt

Beim Thema Kohlendioxidspeicherung liegen fast alle Landtagsparteien mit ihren Bundesmüttern über Kreuz. Keine möchte es sich vor der Wahl mit den Betroffenen verderben.

Das andere Ende der CCS-Leitung: Braunkohletagebau in Garzweiler. Bild: dpa

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat seinen wahlkämpfenden GenossInnen in Schleswig-Holstein einen Knüppel zwischen die Beine geworfen: Die unterirdische Entsorgung von CO2 aus Kohlekraftwerken - CCS - sei eine Klimaschutz-Option, "die zumindest übergangsweise nicht einfach unbeachtet bleiben kann", schrieb er im September an den Kreis Nordfriesland. Dort sollte die Technologie ausprobiert werden. Und dort ist sie am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Während die etablierten Parteien auf Bundesebene der CCS-Technologie eine Chance geben wollen, fürchten ihre Landesverbände, dass das Wählerstimmen kosten könnte.

Der Widerstand in Nordfriesland entzündete sich an dem Plan des Energieversorgers RWE, eine CO2-Pipeline von seinen Großkraftwerken am Rhein nach Norddeutschland zu bauen. Viele Friesen kriegten Angst, analog zum "Atomklo" Wendland, das CO2-Klo der Republik zu werden. Nicht nur die Kreistage in Nordfriesland und dem benachbarten Schleswig-Flensburg haben sich parteiübergreifend gegen das Abscheiden und Speichern von CO2 ausgesprochen - sondern auch der schleswig-holsteinische Landtag.

Auf Bundesebene sieht das anders aus. "Jede Fraktion dieses Hauses hat eine differenzierte Meinung zu der ihrer Bundespartei", spöttelte Heiner Garg (FDP) bei der Energiedebatte im Landtag. Seine Parteikollegen im Bundestag hatten Mitte Juni festgestellt: "In Deutschland und weltweit werden wir zunächst auf die Nutzung von Kohle angewiesen sein. Die CCS-Pilotprojekte könnten Deutschland einen technologischen Vorteil verschaffen."

Das Abscheiden von Kohlendioxid (CO2) aus den Abgasen von Kohlekraftwerken ist der Versuch, die billige Energieerzeugung aus Kohle mit dem Klimaschutz vereinbar zu machen.

Technisch möglich ist es, das CO2 aus dem Rauchgas zu entfernen. Das verringert aber die Effizienz von Kohlekraftwerken um ein bis zwei Prozentpunkte.

Umstritten ist die Frage, wie sicher und auf welche Sicht CO2 in Salzkavernen, ehemaligen Kohle- und Öllagerstätten oder Salzwasser führenden Gesteinen gespeichert werden kann.

Aus geologischen Gründen eigenen sich vor allem die norddeutsche Tiefebene und das Alpenvorland für eine CO2 -Speicherung.

Daraus wurde vorläufig nichts: Ende Juni nahm Schwarz-Grün das Gesetz von der Tagesordnung des Bundestages - nicht zuletzt aufgrund des Drucks von Abgeordneten aus Norddeutschland. Der FDP-Umweltexperte Michael Kauch warf der CDU daraufhin "feigen, verantwortungslosen Populismus" vor.

In der Tat hatte der Koordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, noch im April gesagt: "Kohle wird weltweit in den nächsten Jahrzehnten weiterhin eine wichtige Rolle spielen." Allein in China könnte alle drei Tage ein neues Kraftwerk ans Netz gehen. Ohne CCS drohe der Klimakollaps.

Das beunruhigt auch die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90 / Die Grünen. Sie sprechen sich zwar für "100 Prozent erneuerbare Energie" und gegen neue Kohlekraftwerke in Deutschland aus, bekannten sich aber ebenfalls im April vorsichtig zur neuen Technik: "Angesichts des Klimawandels wäre es leichtfertig, eine Technologie zur CO2-Reduzierung von vornherein auszuschließen, auch wenn noch viele Fragen offen sind."

Eindeutig gegen CCS positionierten sich die Linke sowie der SSW, der als Regionalpartei keine Rücksicht auf Interessen außerhalb Schleswig-Holsteins nehmen muss. Bei der Energiedebatte im Landtag beteuerten alle Landesparteien im Norden, sie hätten ihre jeweilige Linie im Bund durchgesetzt.

Ganz vom Tisch ist das CCS-Gesetz aber nicht. Gabriel warb beim Kreis Nordfriesland um eine Zusammenarbeit: CCS solle "in der Region akzeptiert und eine Demonstration der Technik ermöglicht" werden.

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