Hoffenheims Niederlage: Mainzer machens möglich

Tempo, Mut und Grätschen: Clevere 05er schlagen 1899 Hoffenheim mit 2:1. Der Abpfiff war für die Mainzer eine Erlösung.

Der Mainzer Andre Schürle (l) und Andreas Beck (r) vom 1899 Hoffenheim beim Kampf um den Ball. Bild: reuters

Am Samstagnachmittag im Mainzer Bruchwegstadion brauchte man keine 30 Sekunden, um den Charakter zu erahnen, den die Partie zwischen Mainz 05 und 1899 Hoffenheim annehmen würde. Als der Hoffenheimer Rechtsverteidiger Andreas Beck zum ersten Mal angespielt wurde, grätschte ihm der Mainzer Profi Andreas Ivanschitz den Ball mit ungeheurer Wucht vom Fuß. Für Ivanschitz ging es in diesem Moment bereits um alles, die Mainzer Fans bejubelten diese Aktion so euphorisch wie den späteren 2:1-Sieg ihrer Mannschaft - und Nationalspieler Beck schaute drein, als sei er gerade einem Ungeheuer begegnet.

Was in den nächsten 92 Minuten folgte, war ein Bundesligaspiel mit seltener Intensität, selten rasantem Tempo und selten großem Unterhaltungswert. Noch ehe die zuletzt fünfmal in Serie siegreichen Hoffenheimer ihre Verwunderung über die Mainzer Härte abgelegt hatten, lagen sie bereits 0:2 zurück.

Ivanschitz hämmerte den Ball nach einer schnellen Flachpasskombination mit dem Zorn eines gerade wieder ausgemusterten österreichischen Internationalen aus 14 Metern in den Winkel (6.). Und als der Mainzer Mittelstürmer Aristide Bancé nach einer Verwirrung im Hoffenheimer Strafraum artistisch den Ball per Kopf ins lange Eck beförderte, waren gerade 11 Minuten gespielt.

Den aus dem furiosen Auftakt errungenen Vorsprung retteten die Mainzer über die Zeit. Die Hoffenheimer berannten in der zweiten Halbzeit das Mainzer Tor und spielten mitunter famos auf; den Nullfünfern schwanden die Kräfte, doch der Anschlusstreffer von Ibertsberger (87.) fiel für 1899 zu spät. Der Abpfiff war eine Erlösung für die Mainzer, die nun mit 14 Punkten genauso viele Zähler auf dem Konto haben wie die Hoffenheimer. Nichts anderes als eine Handlungsanleitung für die Liga, wie man gegen die großartige individuelle Klasse und das immense spielerische Vermögen Hoffenheims erfolgreich sein kann, haben Trainer Thomas Tuchel und seine Spieler an diesem Samstag geliefert.

"Wir wollten mit Mut ohne Ende spielen und den Gegner mit den eigenen Waffen schlagen. Wir wussten: Wenn es uns gelingt, in Führung zu gehen, wird es unangenehm, gegen uns zu spielen", erklärte Tuchel seine Taktik, die zum Lehrstück wurde. Vor dem Spiel hatte er seinen Spielern ein Video gezeigt, in dem sich die neuseeländische Rugby-Nationalmannschaft mit dem Haka-Tanz in Stimmung bringt, um dem Gegner einzuschüchtern.

Auch Zsolt Löw, Mainzer Linksverteidiger mit Hoffenheimer Vergangenheit, war heiß wie ein gerade geschmiedetes Eisenschwert: "Wir haben den Ballführenden immer mit zwei, drei Mann attackiert", sagte der Ungar und fügte mit der entschuldbaren Euphorie eines glücklichen Menschen kryptisch hinzu: "Wir haben für diesen Sieg unser Leben verkauft." Dass ein Trainer, der seine Mannschaft erst eine Woche vor Saisonstart übernommen hat, einen solchen begeisterten Fußball spielen lässt, spricht für Thomas Tuchel. "Unser Trainer hat im Fußballgeschäft Riesenmöglichkeiten. Er ist ein sehr cleverer Taktiker", sagt Torwart Heinz Müller.

Es verwundert niemand mehr, dass Ralf Rangnick den 36 Jahre alten Tuchel vor der Saison als U-23-Trainer nach Hoffenheim lotsen wollte. Rangnick hat Tuchel als Spieler in Ulm betreut und beim VfB Stuttgart in der Jugendarbeit eingebunden.

Am Samstag aber konnte Rangnick seinen Ärger über den Auftritt seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit nicht verbergen. Zum dritten Mal in dieser Saison fand 1899 auswärts erst spät ins Spiel, in Hannover und Gladbach noch erfolgreich."Wenn wir Spiele, in denen Körperlichkeit gefragt ist, nicht annehmen, werden wir diese auch künftig verlieren", ätzte er tief enttäuscht, hatte er doch in der vergangenen Trainingswoche in Wort und Bild vor der Mainzer Wucht gewarnt.

Es ist jene von den Mainzern gezeigte, mitunter martialisch anmutende Körperlichkeit, die dem Hoffenheimer Künstlerkollektiv noch zur absoluten Reife einer Spitzenmannschaft fehlt. "Nur 25 Minuten haben gereicht, um die positive Entwicklung der letzten Wochen zu konterkarieren", meinte Manager Jan Schindelmeiser. Doch dann lächelte er kurz und sagte, als lese er gerade eine Kapitelüberschrift aus einem Ratgeber für Start-up-Firmen vor: "Wir sind ein lernendes Unternehmen."

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