Rot-Rot in Brandenburg: Die wahrlich große Koalition

SPD-Landeschef Matthias Platzeck will mit der rot-roten Koalition alle Brandenburger politisch integrieren. In seiner Partei selbst wird verhalten auf das Bündnis reagiert. Die Linke gelobt "Verlässlichkeit", die CDU schiebt Personalien hin und her.

SPD-Landeschef Matthias Platzeck Bild: dpa

Es ist keine Liebe. Als SPD-Fraktionschef Günter Baaske und Generalsekretär Klaus Ness am Dienstag, dem Tag nach der Entscheidung für Rot-Rot in Brandenburg, vor die Presse treten, ist von einer beherzten Aufbruchstimmung nichts zu spüren. Nicht leicht habe man sich die Entscheidung gemacht, sagt Ness nüchtern, beinah geknirscht. "Auch wenn es sich einige vorher anders gewünscht hätten, wurde die Entscheidung am Ende als vernünftig begrüßt."

Ähnlich vorsichtig war SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck am Montagabend vor den SPD-Landesvorstand getreten. Eine verlässliche, stabile Regierung sei entscheidend gewesen, so der 55-Jährige. Mit der Linken hat Platzeck nun eine Mehrheit von 12 Stimmen. Auch habe es größere inhaltliche Schnittmengen mit der Linken gegeben. Das bekräftigt auch Ness: Schülerbafög, Mindestlöhne, gemeinsames Lernen - "wir haben gemerkt, dass dies für die CDU keine Herzensangelegenheiten waren". Am Ende stimmte der Landesvorstand mit 9 Jastimmen für Rot-Rot, 5 Genossen enthielten sich.

Gerade Platzeck - der Pragmatiker, der Agenda-2010-Verteidiger, der Bürgerbewegte, der langjährige PDS-Opponent - schmiedet nun das bundesweit dritte rot-rote Bündnis. Er dürfte es sich nicht leicht gemacht haben. 1999 verhinderte Platzeck eine von Regine Hildebrandt gewollte rot-rote Koalition. Noch im vergangenen Jahr hatte Platzeck Regierungsansprüche der Linken abgewatscht: Diese habe bereits 1989 das Land an die Wand gefahren. Am Montag sprach diesen Satz Johanna Wanka, CDU-Landeschefin. Platzecks Entscheidung sei ein "Verrat an 89" und menschlich enttäuschend.

Nun aber sind von Platzeck ganz andere Töne zu vernehmen: "Die fortgesetzte Ausgrenzung einer von beträchtlichen Wählergruppen unterstützten demokratischen Partei ist nicht länger ratsam." Es gelte auch die ins Boot zu holen, die sich bisher politisch an den Rand gedrängt gefühlt hätten. Tatsächlich regiert mit Rot-Rot in Brandenburg die große Koalition. 33,3 Prozent holte die SPD zur Landtagswahl am 27. September, 27,2 Prozent die Linke. Zur Bundestagswahl waren es 29,7 Prozent für die Linke, 28,7 Prozent für die SPD. Die Linke stellt zig Bürgermeister, holte vier Direktmandate für den Bundestag. Kaum ein Landesverband der Linken drängt länger und intensiver auf eine Regierungsbeteiligung als der märkische.

Dennoch heißen nicht alle in der SPD den Schwenk zur Linken gut. Als "maßlos enttäuschend" bezeichnete etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Stefan Hilsberg die Entscheidung. Es werde eine Partei hoffähig gemacht, die Staatsbankrott, Unrecht und Diktatur zu verantworten habe. Baaske berichtet dagegen von Gesprächen in der Basis, die Rot-Rot begrüßten. "Wir werden in Brandenburg keine thüringischen Verhältnisse erleben."

Die Linke zeigte sich am Tag nach der Entscheidung deutlich gelöster. Fraktionschefin Kerstin Kaiser scherzte, staunte über den Medienandrang. Einhellig und ohne Nuancen habe ihre Fraktion für Rot-Rot votiert. Nach Redaktionsschluss sollte auch der Landesvorstand zustimmen. "Verlässlichkeit" versprach Kaiser wiederholt der SPD. Dabei musste die Linke deutliche Eingeständnisse machen. Vom Nein zur Braunkohle war sie abgerückt, Kaiser hatte ihren Verzicht auf ein Ministeramt erklärt. Es war Platzecks Bedingung, keine ehemaligen MfS-Mitarbeiter zu Ministern oder Staatssekretären zu ernennen.

Erwartungsgemäß eingeschnappt stand die CDU da. Intern wurde die Kritik laut, dass zu sehr auf ein "Weiter so" Platzecks gehofft wurde. Noch am Montag überließ die in den Sondierungsgesprächen unglücklich aufgetretene Saskia Funck ihren Fraktionsvorsitz Landeschefin Wanka. Die wiederum brachte Funck als Stellvertreterin ins Spiel.

Noch in dieser Woche wollen SPD und Linke zwei Koalitionsrunden abhalten. Am 6. November soll die Regierung stehen. Man werde sich mit intensiver, sachlicher Arbeit das Vertrauen erarbeiten, so Kaiser. Auf dass es doch noch Liebe werde. KONRAD LITSCHKO

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