Gebt uns den Palast!

Heute endet die Zwischennutzung des Palastes der Republik. Der Protest gegen den Abriss geht weiter. Die taz fragte Kulturschaffende, wie sie den Palast nutzen würden

Jim Avignon ist Künstler und Musiker: „Ich würde im Palast der Republik Mallorcas El Arenal noch mal nachbauen, komplett mit Meer, drittklassigen Hotels, Sangria-Buden und allem Drum und Dran. Dann müsste man das Ganze in eine Art internationale Steueroase für den kleinen Mann verwandeln. Finanzieren würde ich das, indem ich zwielichtige Unternehmen aus der ganzen Welt einlade, dort ihre Vertretungen und Briefkastenfirmen einzurichten, am besten in Hinterzimmern von Bingo-Spielhallen und Wettbüros. Fehlte noch eine riesige Windmaschine und ab und zu ein kleiner künstlicher Sturm – ich würde dort gerne zwei- bis dreimal die Woche mein letztes Hemd verspielen.“

Alexander Kluge ist Schriftsteller und Medienschaffender: „Ich würde mich mit anderen Leuten zusammentun, z. B. mit Christoph Schlingensief, um ein Musiktheater zu gründen, das sich mit Geschichte beschäftigt. Nicht nur mit der Geschichte der DDR, sondern mit der Geschichte Europas. Denn das Musiktheater begleitet ja die moderne Geschichte. Gerade in so einem Realgebäude, das selbst von Geschichte erzählt, lassen sich Musik und Geschichtserzählung anders verknüpfen als in einem Opernhaus.“

Lars Ramberg, Künstler, hatte das Wort „Zweifel“ auf den Palast montiert: „Der Palast ist einzigartig und sollte eine aktive Ruine bleiben – ein Museum, das kritischen Diskurs befördert. Zweifel gehört zur deutschen Einheit. Wird der Palast zerstört, macht man der offenen Diskussion einen Strich durch die Rechnung. Ein furchtbarer Fehler für das gesamte westliche Kulturerbe.“

Sven Giegold ist Sprecher von Attac Deutschland: „Der Palast soll ein Freiraum im Herzen Berlins werden, ein Raum für Kreativität und Selbstorganisation. Keine reaktionären Abrisspläne oder sonstigen neuen Pläne von oben: Die BerlinerInnen sollten die Sache selbst in die Hand nehmen: Ein „selbst verwaltetes Palastforum“ könnte das Gebäude für Kunst, Kultur und Zusammentreffen erhalten und entwickeln.“

Christoph Schlingensief, Theater-, Film- und Aktionskünstler: „Auf den brachliegenden Halden der Politik ein (Musik-)Theater zu bauen, wie Alexander Kluge es vorschlägt, ist ein ganz konsequenter Schritt. Nur allzu gerne würde ich diesen Plan mit Kluge in die Tat umsetzen. Weil wir beide durch Wagner sozialisiert worden sind, werden wir uns schnell darauf einigen, den Bau nach der Eröffnung in die Luft zu sprengen, um einen „mythischen Abgrund“ zu schaffen. Wir müssen endlich die Gelegenheit haben, zwischen den Hochglanzfassaden unserer Kultur und unserer Städte in Abgründe zu stürzen. Darin geht es dann ganz universell um den „Raum zur Zeit“. Und die Zeit rast. Ich werde noch heute Kontakt zu Kluge aufnehmen!“

Carsten Nicolai ist Künstler: „Das Utopische am Palast ist nicht seine Geschichte, sondern der Rohbau. Ich würde ein modernes Museum daraus machen, eine Kunstfabrik – ein Haus, wo Dinge entstehen und nicht nur verwaltet werden: Ein Centre Pompidou für Berlin – das wäre mein Traum.“

Peaches ist Musikerin. Sie lebt seit Jahren in Berlin: „Ich würde den Republikpalast zu einem Kulturzentrum machen. Ein Ort für Diskussion zwischen Ost und West. Wir können nicht so tun, als hätte es den Osten nie gegeben. Und die Kegelbahn muss wieder her!“

Marc Weiser ist Musiker: „der abriss des stadtschlosses durch ddr-regierung, die errichtung des palastes der republik wie auch die diskussion um den schloss-wiederaufbau ist ausdruck einer kontinuität, die die unfähigkeit der politischen entscheidungsträger widerspiegelt, sich konstruktiv mit den historischen gegebenheiten auseinander zu setzen. die einzige möglichkeit, diesem circulus vitiosus der ignoranz entgegenzuwirken, besteht meiner ansicht nach in der sprengung des in zukunft wieder aufgebauten stadtschlosses und dem brachliegenlassen der ruine als mahnmal und innerstädtischen kontemplationsraum, frei von ideologischen herrschaftansprüchen.“

Dr. Motte, Love-Parade-Begründer: „Wenn mir der Palast der Republik gehören würde, würde ich sofort eine Betreibergesellschaft einrichten: Jugend-, Kultur- und Friedensinitiativen, der Regierende Bürgermeister und die Stadt Berlin. Ich würde Erichs Lampenladen in Parzellen unterteilen und an Künstler vermieten, dazu gäbe es Spielstätten für große Events: Von Diskussionsrunden über Alternativkultur bis hin zur Diskothek, die durchgängig geöffnet ist. So kämen fehlende Inhalte in die Stadt: Geborgenheit, Miteinander, Wärme, Herzlichkeit, Spiritualität. Ich würde Solarzellen aufs Dach und Brennstoffzellen in den Keller stellen, um eigenen Strom zu produzieren. Rufen Sie mich an!“

Christoph Tannert, Leiter des Künstlerhauses Bethanien: „Soll man doch allen Hausbesetzern und den revolutionären Untoten von der aktivistischen Wiedergängerfront das Palastgerippe als Trainingscamp zur Verfügung stellen. Zahnersatzversprecher an die Front! Mit Kunst war nichts zu retten. Die, die Zweifel säten, sind abgetaucht oder haben sich als Leithammel der Boheme etabliert. Jetzt haben die selbstversorgungssüchtigen Wichtigtuer vom Amt wieder das Sagen. Ganz klar: Berlin braucht einen neuen SozKulturPalast unter schwarzer Flagge.“

Dirk Baecker, Soziologe an der Universität von Witten/Herdecke: „Ich würde den Palast vollständig entkernen, die Fassaden erhalten und von allen Seiten freien Zugang ermöglichen. Damit der Raum als eine Art Markthalle für Verwendungen aller Art zur Verfügung steht, für Trödelmärkte, Schlittschuhbahnen, Boule- und Badminton-Turniere, Squaredance-Vorstellungen und und und. So könnte man die markante Silhouette des Palastes erhalten und stünde in der Tradition des Gebäudes.“

Schorsch Kamerun, Musiker und Theatermacher: „Eine erprobte Trutzburg soll einem kopierten Schloss weichen? Ich schlage hiermit vor, alle von Flattertiergrippe-Paranoia bedrohten Federviecher in das hilfsbedürftige Gebäude umzusiedeln, um so die Abrisskiller abzuschrecken und die Pseudoerneuerer in die nötigen Bockshörner zu jagen. Eierhühner gegen Galgenvögel!“

Christian von Borries, Komponist und Dirigent, fuehrte 2003 im Palast den „Wagnerkomplex“ auf: „1. tropical island in den palast verlegen, der in volkskammer umbenannt wird; 2. die blutsdeutschen, blonden, blauaeugigen bewohner/innen von nueva germania/paraguay in die volkskammer umsiedeln; 3. einen radiosender mit wagner, kraftwerk, stockhausen und laibach zu selbstheilungszwecken installieren, mit dem 4. im untergeschoss eine zuchtplantage der kimjongilia-lilie beschallt wird, durch deren verkauf sich die bewohner/innen ihr trostloses inzestuoeses leben versuessen; 5. wer weiter von historischer rekonstruktion redet. muss auf die plantage „nueva germania“ zum blumengiessen; 6. wiederholungstaeter/innen muessen im radio nietzsche-zitate vorlesen und wagners texte zu religion und rasse verinnerlichen“